Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
nördlich von Modena. Auf die lautstarken Anti-Mafia-Proteste der Gebietsbürgermeister hin entgegnete Coppola, er habe seine Probleme mit der Justiz geregelt, er sei jetzt ein freier Mann, der sich entschlossen habe, sein Leben zu ändern, und schließlich und endlich lebe man ja in einem Rechtsstaat.
In der Emilia-Romagna boomt der Bausektor nach wie vor, trotz Wirtschaftskrise. Wohn- und Geschäftshäuser, Werkshallen, Einkaufszentren schießen ohne Unterlass wie Pilze aus dem Boden. Gerade die Bauwirtschaft hat in der Vergangenheit zahllosen ehrlichen Emigranten aus Süditalien Lohn und Brot verschafft. Zugleich ist sie jedoch seit langer Zeit das bevorzugte Ziel mafiöser Unterwanderung, und zwar innerhalb der gesamten Produktionskette: vom Grundstückserwerb über die Bauausführung bis hin zum Immobilienhandel.
Es ist kein Zufall, dass viele Baufirmen der Region eigene Immobilienabteilungen gründen, die ganz korrekt bei der Handelskammer angemeldet werden und umgehend mit dem Immobilienhandel beginnen. Doch zuletzt stockte der Boom. Es wurde nach wie vor viel gebaut, aber deutlich weniger verkauft. Und welche legale Baufirma kann sich den jeglicher wirtschaftlichen Logik widersprechenden Luxus leisten, ihr Produkt in großem Umfang und für längere Zeit auf Halde zu legen? Es ist daher ziemlich wahrscheinlich, dass das eigentliche Unternehmensziel dieser Firmen, die die Landschaft der Emilia-Romagna zubetonieren, nicht im Immobilienverkauf zur Deckung der Kosten und der Erwirtschaftung von Gewinn liegt, dem naturgegebenen Ziel jedes legalen Unternehmens, sondern vielmehr schmutziges Geld durch dessen Verwandlung in Häuser und Gewerbeimmobilien gewaschen werden soll.
Diese These vertritt jedenfalls Vito Zincani, der zuständige Bezirksstaatsanwalt von Modena. Der Bausektor ist seiner Auffassung zufolge von zentraler Bedeutung für die »Sublimierung« von Geld, das aus den übelsten Machenschaften der Mafia stammt und auf diese Weise spurlos verschwindet. Sich in Luft auflöst und in Form von Gebäuden wieder materialisiert. Deshalb ist die Bauwirtschaft auch von so großem Interesse für die Mafien. Vor allem der Casalesi-Clan kontrolliert mittels Korruption und Gewalt große Teile der mittelständischen Bauwirtschaft Italiens.
Die Knieschüsse, die 2007 Giuseppe Pagano, den Bauunternehmer aus San Cipriano d’Aversa, trafen, waren nicht der einzige Vorfall dieser Art. Wie im Folgenden ausgeführt werden soll, hatte bereits im Jahr 2000 hatte eine ähnliche Aktion die Einwohnerschaft von Castelfranco Emilia aufgeschreckt, einer ansonsten denkbar ruhigen Gemeinde. Allerdings wurden dort auch einige illegale Spielhöllen der Clans betrieben, sowie eine Inkasso-Firma, die sich regelmäßig zwecks »Amtshilfe« an den Clan wandte. Vor allem im Zusammenhang mit Bauwerken, die dem Clan zugeschrieben werden, spielte das Unternehmen eine Rolle.
Rein ökonomisch gesehen, stört der Auftritt der Clans die üblichen Funktionen der freien Marktwirtschaft. Wo diese ihren Fuß hinsetzen, wird der Wettbewerb zur Utopie, zu einem Hirngespinst. Er wird gemäß den Interessen der Clans zurechtgebogen. Konkurrenz, die normalerweise das Verhältnis zweier Firmen im selben Sektor kennzeichnen würde, wird somit unterbunden. Denn das Mafia-Unternehmen bedient sich vieler illegaler Wettbewerbsvorteile, die anderen Firmen, die sich weder der Unterstützung noch des Rückhalts bei Mafia-Bossen erfreuen können, die sich also an Recht und Gesetz halten, nicht zur Verfügung stehen.
Der Einsatz von Mafia-Methoden, um Konkurrenzfirmen aus dem Rennen zu werfen, und die bereitstehende, quasi unerschöpfliche Liquidität außerhalb jeglicher ordnungsgemäßer Buchführung stellen zwei dieser Vorteile dar. Für die Clans gelten auch die normalen Geschäftsfristen nicht. Bei ihnen muss man sofort und ohne Murren zahlen. In der Emilia-Romagna konkretisieren sich diese mafiösen Praktiken in Form von gewonnenen Ausschreibungen und der Ausführung von Bauaufträgen. Im Dschungel der Subunternehmerschaft profitieren die Clans, sprich die von ihnen dominierten Firmen von der mangelnden gesetzlichen Aufsicht. So können sie mühelos ihre Preise durchsetzen, die Materialzulieferung übernehmen und auch Arbeitskräfte stellen.
Die ersten Opfer der klassischen, parasitären Erpressung und des Schutzgeldsystems in Form aufgezwungener Subunternehmerfirmen waren Bauunternehmer aus dem Süden Italiens. Unabdingbare Voraussetzung, um die in der
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