Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Diana, erschossen worden war.
Gewalt und Herumgeprotze. Eine Lebensweise, die manche Mitglieder des Clans zur Schau stellen. Das Gebot der Unauffälligkeit, unter dem normalerweise die Mafia-Familien in Norditalien leben, ist ihnen egal. »Eines Morgens kam einer von ihnen in mein Büro«, vertraute mir ein Angestellter einer Versicherungsfirma an, der es vorzog, seine Aussage anonym zu machen. »Er fing mit absurden Forderungen an, außerhalb jeglicher rechtlicher Grundlagen, auf der Basis von Verträgen, die damit überhaupt nichts zu tun hatten.« Als der Inhaber der Versicherungsagentur sich weigerte, seinem Anliegen nachzukommen, sei der junge Mann gewalttätig geworden, habe ihn beim Kragen gepackt und gegen die Wand geschleudert. Als dem Inhaber seine Mitarbeiter zu Hilfe kamen, sei der Jugendliche hinausgestürmt. Er habe ihnen noch zugerufen, dass sie wohl nicht wüssten, mit wem sie es zu tun hätten. Einige Zeit später entdeckte der Angestellte den Betreffenden unter den Verhafteten, die im Zuge der Operation »San Cipriano« vor Gericht gebracht wurden.
»Ich komme zu dir nach Hause und zieh dir die Haut ab (…), du hast einen Scheiß kapiert (…), weißt du eigentlich, dass du es mit den Männern aus Afragola zu tun hast? Du gehörst zu denen, die ich in den Arsch ficken werde! (…) Ich werde Dir richtig Feuer unterm Hintern machen, du Stück Scheiße! Wenn ich nach Rovigo komme, dann nicht allein! Ganz ehrlich, Alfonso, der hat mich richtig wütend gemacht, ich war drauf und dran, ihn zu totzuschlagen.« Es ist nicht das erste Mal, dass Tonino, ein Bauunternehmer, der lange Zeit in Rovigo gearbeitet hat, auf diese Weise von Alfonso und Giovanni Perrone bedroht wird. Drohungen dieser Art gehören zu seinem Alltag. Er ist eines der Opfer des Perrone-Clans. Tonino versuchte mit allen Mitteln, den Fängen des Clans zu entkommen und Zahlungen an die Verbrecher zu vermeiden.
»Ey Tonino, du hast von ein, zwei Tagen gesprochen, aber das Geld ist immer noch nicht da. Was ist los mit dir?«, herrscht ihn Perrone an. Der Tag des Jüngsten Gerichts, das der Clan Tonino zugedacht hatte, kündigte sich an. Eine Lektion in Sachen Gewalt, um ihm Respekt vor den Honoratioren des Clans beizubringen. Einen bestrafen, um hundert Respekt beizubringen, scheint das Motto des Clans zu sein, wie es Augusto Balloni definiert, Professor für Kriminologie in Bologna. Ehre, Respekt, Macht, Geld sind wie Drogen, von denen die Männer der Clans abhängig sind. Am Ende bezahlte der nach Rumänien ausgewanderte Unternehmer das vom Clan geforderte Schutzgeld. Er zahlte, um den Drohungen gegen seine Kinder und seine Ehefrau ein Ende zu machen, und er zeigte diese Verbrecher nicht an, aus Furcht davor, ganz allein dazustehen.
Das, was Tonino widerfahren ist, ist kein Einzelfall. Der leitende Staatsanwalt von Bologna hatte die betroffenen Unternehmer bereits mehrmals nachdrücklich dazu aufgefordert, Anzeige zu erstatten, bevor sie Opfer von Prügelattacken oder Schlimmerem werden. Sein Appell verhallte ungehört. Bis heute gibt es nur wenige Unternehmer in der Emilia-Romagna, die es wagten, sich auf diese Weise zu wehren. Die Übrigen ziehen es vor zu zahlen und zu schweigen.
Die Aussagen von zwei Bauunternehmern, die sich trauten, gegen die Mafia juristisch vorzugehen, finden sich in den Akten der Operation »San Cipriano«. Bereits nach den ersten Drohungen hatten sie sich an die Carabinieri gewandt und von ihren Erlebnissen mit dem Clan erzählt. Ihre Berichte enthüllen eine heimtückische, weniger offensichtliche Erpressungsvariante. Einer dieser Unternehmer war von Alfonso Perrone aufgefordert worden, seine Schulden in Höhe von 6.000 Euro bei Massimo Gugliuzza und dessen Teilhaber aus Foggia (Apulien), Giuseppe »Gamberone« Ferraro, zu begleichen. Aber der Betroffene war damit nicht einverstanden. Gugliuzza und Ferraro hatten auf einer Baustelle des Unternehmers Fliesen verlegt. Ein Auftrag im Wert von 2.000 Euro, der aber äußerst schlampig ausgeführt worden sei, wie der Unternehmer bei seiner Aussage gegenüber den Carabinieri betonte. Die ursprüngliche Forderung der beiden hatte sich zwischenzeitlich um den Anteil des Clans an dieser Summe erhöht. 4.000 Euro für den Service des Clans, »Außenstände« einzutreiben. Ein umfassender Service, der befreundeten Handwerkern vonseiten des Clans angeboten wird.
Als »Außenstände« für Mario Maggio eingetrieben werden sollten, einem weiteren Unternehmer, der im
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