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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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ausgekontert, die auf diese Weise ihren Vormarsch Richtung Norden vollenden.
    Modena und die gesamte Emilia-Romagna sind Präzedenzfälle unter den verschiedenen Kriegsschauplätzen der Mafia. Einzelhändler und Landvermesser, politisch agierende Rechtsanwälte, Bankdirektoren und Geschäftsführer, Notare, Unternehmer und wie diese Strippenzieher alle heißen – Hunderte solcher »Leistungsträger« stehen auf der Gehaltsliste der Mafiosi, die ein ahnungsloser italienischer Staat eigenhändig nach Norden, nach Modena und in die Emilia-Romagna verpflanzte. Sie nehmen dort führende Rollen ein, auch in der Stadt Modena, die sich öffentlich gern ethisch einwandfrei gibt und in der angeblich alle eine weiße Weste haben.
    Doch hinter der ehrbaren Fassade betreiben die Strippenzieher das Geschäft der Mafia, den versierten Slalom zwischen legaler und illegaler Ökonomie. Und das mit dem Grad an Professionalität, den die Mafia-Banden von ihren Strohmännern in der legalen Wirtschaft verlangen. Paolo Raviola, der zu den Verhafteten im Rahmen der Operation »San Cipriano« zählte, ist ein gutes Beispiel hierfür. Er hat sich den Spitznamen »Steuerberater« redlich verdient. Er kann auf eine Verbrecherkarriere zurückblicken, die sich ausschließlich im Bereich der Wirtschaftskriminalität abspielte. Neben seinen Fähigkeiten, die Spur von gewaschenen Erpressungsprofiten zu verwischen, gelang es ihm auch, verschiedene Konten zu eröffnen, die auf die Namen von Bauunternehmern liefen, die ebenfalls in die untersuchten Machenschaften verwickelt waren. Er war trotz allem das »legale Gesicht« der Bande mit Kontakten und Erfahrungen, die er sich im Lauf der Zeit angeeignet hatte, sowie Verbindungen zu den Direktoren verschiedener Bankfilialen in der Region. Aber er verfügt nicht nur über Geschick und hohe kriminelle Energie. Gemeinsam mit Alfonso Perrone soll er auch an einigen »Stoßtruppunternehmen« teilgenommen haben, die dazu dienten, »Rechnungen zu begleichen«.
    Das ist Modena heute. Eine Stadt mit zwei Gesichtern. Die Stadt mit den geschmeidigen Strukturen, innerhalb derer sich die legalen und illegalen Aktivitäten oft überkreuzen. Nach außen sichtbar ist die immer weiter fortgeschriebene Erfolgsgeschichte der glänzend funktionierenden, boomenden legalen Wirtschaft. Häufig in neue Bahnen und Richtungen gelenkt wird diese allerdings von der dahinterstehenden illegalen. Die idyllische, traditionsreiche, vielfach gesegnete Stadt am Fluss Panaro tanzt auf dem Vulkan, angefeuert von der Mafia, die daran prächtig verdient.

4.
DIE SPIELHÖLLEN DER CLANS
    Eine farbig bedruckte Walze, der man die eigene Zukunft anvertraut. Ein Stoppknopf, der über Sieg oder Niederlage entscheidet. Eine einprogrammierte Gewinnmarge, die die Kassen der Mafien klingeln lässt. Spielautomaten sind ein echter Goldesel für die organisierte Kriminalität. Denn im Zeitalter des globalen Prekariats verschwenden immer mehr Frauen und Männer einen Großteil ihrer Tage in den überall aus dem Boden schießenden Spielhöllen. Das Glücksspiel ist legalisiert und egalisiert worden. Arbeitslose, Angestellte, Rentner, Studenten –
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weisen keinen ab. Es sind perfide Geräte, die mit einer Konzession der staatlichen Glücksspielaufsicht überall und jederzeit legal betrieben werden können. Auf den Automaten ruhen die Hoffnungen von denjenigen, die sonst keine Hoffnung mehr haben. Schwache, vom Leben enttäuschte Persönlichkeiten, die nach jeder Runde noch gieriger und verzweifelter werden, süchtig nach dem, was ihnen allein eine bessere Zukunft zu garantieren scheint.
    Sie zocken ohne Pause. Zeitweise scheinen sie von einem Glücksspielrausch umnachtet zu sein. Verlieren schon mal tausend Euro am Tag. Und kehren in einem schlechteren Zustand in ihre Behausungen zurück, als sie diese morgens verlassen haben. Nach zehn Stunden Arbeit sitzen andere weitere fünf Stunden vor dem Spielautomaten, womöglich um den Lohn aufzubessern und sich ein »Päckchen«, eine abgepackte Portion Kokain, zu kaufen.
    Ich betrachte die Meute der Verlorenen, die ihre Seelen an die Maschinen verkauft haben, während ich ein Bier trinke, das mir der befreundete Barmann an den Tisch gebracht hat. »Aber wie viele Stunden verbringen sie so vor diesen Automaten?«, frage ich ihn unvermittelt. Er lacht. Er weiß, wie viele sich in den unsichtbaren Fallstricken verheddern, die aus einem Spielanfänger binnen kurzer Zeit einen rettungslos Süchtigen

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