Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Casalesis das Glückspielgeschäft betreibt, gründete Grasso eine Firma unter dem Deckmantel der
Giemme Giochi
von Gianfranco Maddalena, der als Verbindungsmann zwischen den Casalesis und Grasso angesehen wird.
Sowohl Grasso als auch Iovine gibt sich nach außen hin als biederer Geschäftsmann. »Zwischen beiden entstand eine außergewöhnliche Synergie«, so heißt es weiter in der Urteilsbegründung, »die auf einer gemeinsamen Basis an ökonomischer Professionalität, mafiösem Einschüchterungsvermögen, einem sich überschneidenden Bekanntenkreis und einer beunruhigenden Willfährigkeit ihrer Gesprächspartner beruhte. Dadurch war die Gruppe in der Lage, in das Gebiet der Online-Wetten vorzustoßen und über die Grenzen der eigenen Region hinaus zu expandieren.« Und zwar bis in die Emilia-Romagna.
Schon 1995 wurden in den Bars im Raum Modena die ersten Video-Poker-Maschinen der neapolitanischen Mafiosi aufgestellt. Iovine und Schiavone brachten mit Hilfe der örtlichen Clan-Vertreter wie Nappa, Compagnone und Caterino die Maschinen in den Gaststätten von Modena und Umgebung unter. Die Geschäftsfreunde Iovine und Grasso hatten von den Camorra-Clans aus Neapel freie Hand bekommen, die allerdings ihren jeweiligen Prozentsatz verlangten. Die beiden enttäuschten ihre Geschäftspartner nicht und errichteten im nördlichen Vorposten unter der Kontrolle von Iovine, der im Zweifelsfall von dem unverdächtigen Gymnasialprofessor Schiavone vertreten wurde, eine Art Mafia-Kolonie.
»Dieser herausragende ›Erfolg‹ der Mafia in der Emilia-Romagna genau wie in den Mafia-Hochburgen hing mit den Versprechungen zusammen, durch die neue Aufstellungsorte gewonnen wurden«, schreibt der Untersuchungsrichter weiter. Grasso und Iovine sicherten den Gaststätteninhabern, die ihre Video-Poker-Maschinen aufstellten, zu, sowohl mögliche Unkosten bei polizeilichen Beschlagnahmungen als auch mögliche Strafzahlungen zu übernehmen. Das beflügelte den Vormarsch der Mafia-Spielautomaten. Nach Aussagen Bidognettis erhielt der Clan allein von Renato Grasso in den Jahren 2001 und 2002 rund 100.000 Euro im Monat. Ob mittlerweile andere Leute für das Geschäft in Modena zuständig sind, ist nicht bekannt, klar ist jedoch, dass der Casalesi-Clan nach wie vor auf diesem überaus lukrativen Sektor aktiv ist.
Das Vorgehen war dabei immer gleich. Teils wurden die Automaten im Namen von Grasso per Lkw nach Modena gebracht, teils wurden bereits vorhandene Automaten aufgekauft. Sowohl im Raum Caserta (bei Neapel) als auch in der Provinz Modena bediente sich der Clan dabei lokaler »Buchhalter«, die junge »Mafia-Soldaten« in die Kneipen schickten, um Einnahmen abzurechnen, Geld einzutreiben oder mit noch unentschlossenen Besitzern Klartext zu reden: »Deine Bar hat noch keine Video-Poker-Maschine, besorg dir doch welche von Tizio und Sempronio. Du hast schon deine eigenen Video-Automaten? Es wäre besser, wenn du welche von uns nimmst, dann kriegst du vierzig Prozent der Einnahmen, und wir sechzig. Wenn sie kaputtgehen, übernehmen wir die Reparatur.« So erklärte der Kronzeuge den Staatsanwälten die Geschäftspraktiken der Mafia.
Mario »Rififi« Iovine kennt Modena. Es ist erwiesen, dass er selbst schon vor Ort war, zusammen mit Sigismondo di Puorto, der rechten Hand von Alfonso »O Pazzo« Perrone. Di Puorto gilt als das Bindeglied zwischen der Mannschaft in Modena und dem »Mutterhaus« des Clans. Der dokumentierte Besuch Mario Iovines in Modena ist ein zusätzlicher Beleg für die Aussagen des Kronzeugen Bidognetti, der Iovine als »Clan-Manager für Video-Poker« in Modena bezeichnet hatte. Es spricht einiges dafür, dass Iovine bis heute der Statthalter vor Ort ist.
Eine Abfolge von Lagerhallen, weitläufig und zugig. Das Industriegebiet Torrazzi bei Modena ist ein Gebiet hoher Produktivität, aber auch heimlicher Aktivitäten. Äußerlich weisen die hiesigen Firmen alle Anzeichen ordnungsgemäßer Tätigkeit auf. Unternehmen, die auf einem angeblich freien Markt ihre Produkte und ihre Dienstleistungen anbieten. Die Leitlinie ihrer Geschäfte, geben sie vor, folge dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dahinter verbirgt sich eine Ökonomie der erpresserischen Beziehungen, ohne Substanz, ohne reguläre Buchhaltung. Diese Ökonomie scheint fließend und durchdringend zu sein. Kommunizierenden Röhren gleich sind hier legale und illegale Ökonomie miteinander verbunden.
Nach zahllosen Anläufen finde ich die Straße, nach der ich
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