Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
die ganze Zeit gesucht habe: die Via Grecia. Es sind viele, die hierherkommen und alle dieselbe Frage stellen: »Ich bin daran interessiert, Spielautomaten aufzustellen. Was kostet mich das?« Die Antwort gibt gewöhnlich Luigi, der Sohn von Antonio Padovani. Zusammen mit Renato Grasso bildet er das mythische Königsgespann auf dem Gebiet der Spielautomaten, Bingohallen und Online-Wetten. Die Anteile von Padovani wurden auf Befehl des Gerichtshofs von Neapel beschlagnahmt und nur wenige Monate später durch denselben wieder freigegeben. Sein Imperium besteht aus Firmen, die Spielautomaten vermieten, denen Wettannahmestellen gehören, die Bingohallen betreiben.
Eine dieser Firmen sitzt in Modena. Und eben diese Firma, die sich auf Verleih und Verkauf von Spielautomaten spezialisiert hat, ist den Staatsanwälten zufolge von Grasso und Padovani dazu benutzt worden, eine Bingohalle in der Nähe von Mailand zu kaufen. Nach dem Ankauf habe Padovani dann das Eigentum an Grasso übertragen. Nicht direkt an Grasso, sondern an eine der zahllosen, von Strohmännern geleiteten Firmen aus dessen Imperium. In den so erworbenen Bingohallen hätte Grasso dann seine Spielautomaten aufgestellt. In einem Absatz des Untersuchungsberichts wird eine Episode wiedergegeben, in der Padovani vorschlägt, sich der Gesellschaft mit Sitz in Modena zu bedienen. Er plädierte dafür, Bingohallen in Imola und Mailand zu erwerben, um diese anschließend Grasso zu überlassen. Beide zusammen drehen das große Rad. Sie betreiben ambitionierte, millionenschwere Projekte, von denen einige bis heute laufen. So zum Beispiel ein Spielcasino in Bukarest.
Antonio Padovani wurde 2011 vom Gerichtshof in Caltanissetta wegen Fälschung von Gebrauchsgütern, nicht aber wegen organisiertem Verbrechen verurteilt. Bevor sie die Firmenanteile beschlagnahmten, die in seinem direkten Besitz gewesen waren, herrschte er mittels Strohmänner über ein Firmenimperium, welches unter anderem, so die Urteilsbegründung, der Steuerhinterziehung diente. Einer seiner Angestellten war der Ehemann der Tochter von Mafia-Boss »Piddu« Madonia. Der Verwandte des Paten, das ergaben abgehörte Gespräche, besuchte einmal im Monat die Mafia-Firma, in der »Padovani seine Sachen herstellen ließ«.
Darüber hinaus wird in den Akten des Gerichtshofs in Neapel erläutert, welcher Art die Kontakte zwischen Grasso, der Anklage zufolge ein Freund der Camorra im Allgemeinen und des Casalesi-Clans im Besonderen, und Antonio Padovani als Gefolgsmann der Mafia-Clans von Catania (Sizilien) und Caltanissetta (Sizilien) waren. Diesen Untersuchungen zufolge ist Padovani das sizilianische Pendant zu Grasso. Zwischen beiden bestehe eine reguläre Geschäftsbeziehung, wie die beträchtlichen Investitionen des sizilianischen Unternehmers in Firmen belegten, die zu Grassos Imperium gehören. Padovani, so steht dort zu lesen, sei »Mafia-Mitglied und für seinen Clan seit einiger Zeit im Bereich der Spielautomaten tätig, wo er auch durch die Komplizenschaft korrupter Beamter die notwendigen Konzessionen erhält und für die Eröffnung neuer Spielhallen sorgt, die nominell Dritten gehören, aber nachgewiesenermaßen im Besitz der Mafia sind.«
Aus den Plädoyers der Staatsanwälte in Neapel und Caltanissetta geht hervor, dass es zwischen den Vertretern verschiedener Mafia-Zweige ein hohes Maß an Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen gab. Besonders aufschlussreich im Hinblick auf die Verschleierungstaktik der Mafien sind diejenigen davon, die sich den Anschein der Legalität geben, aber hinter denen sich den Anklägern zufolge das mafiöse Systems des dritten Jahrtausends verbirgt, das Pistolenschüsse nur noch als Ultima Ratio nutzt. Sie sollen uns später noch beschäftigen.
Digitalkameras überwachen den Eingang des Lokals. Drinnen ist es ziemlich verraucht, Hoffnungen werden im Minutentakt geschöpft und endgültig begraben. Mit starren Gesichtern sitzen die Spieler vor den Automaten, setzen, gewinnen und verlieren. In diesem heruntergekommenen Souterrain-Raum wird der Wert des Lebens jeden Tag aufs Neue missachtet. Das einzige Gesetz, das hier Gültigkeit besitzt, ist das des Clans. In meinen Augen ist dieser Ort eine Melkmaschine für Verzweifelte. Angesichts der Überwachungskameras, die mich beobachten, unterdrücke ich meine Empörung, die dieser Anblick von versammelter Verzweiflung in mir auslöst. Die diese Industrie, die die Verzweifelten ausbeutet, in mir auslöst. Mir wird speiübel,
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