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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Rosanna Gariboldi zu einem »Deal« mit der Staatsanwaltschaft. Sie konnte daraufhin den Gerichtssaal als freie Person verlassen. In diesem Zusammenhang tauchte der Name Chiriaco wieder auf. Am 20. Oktober 2010, dem Tag der Verhaftung von Rosanna Gariboldi, steigt die Sorge in Chiriacos Umfeld. Denn der trägt sich mit dem Gedanken, Gariboldi ein Gefälligkeitsgutachten auszustellen, dem zufolge sie an Depressionen leide und deshalb prozess- und haftunfähig sei. Chiriaco hat schon alles vorbereitet. Er weist die Sekretärin von Gariboldi an, den Terminkalender ihrer Chefin um einen auf den 11. August zurückdatierten Eintrag zu ergänzen. Dieser soll beweisen, dass Gariboldi an diesem Tag den befreundeten (und eingeweihten) Arzt aufgesucht habe. Dieser Termin war zuvor vom Generaldirektor der Poliklinik
San Matteo
in Pavia bestätigt worden. Dank seiner Kontakte war das für Chiriaco ein Kinderspiel. In dem Moment, wo er sie für seine Freunde braucht, funktionieren sie wie ein Wunderwerk.
    Seine Rolle als Direktor wiegt schwer. Und es genügt ein Wink von ihm, um die normalen Routinekontrollen der Gesundheitsbehörde in örtlichen Gaststätten entweder zu verhindern oder abzumildern. Auch das passiert in Pavia. Und Chiriaco spielt die Hauptrolle in diesem trüben Reigen.
    Eines Tages rief ihn ein bekannter Politiker aus Pavia, Ettore Filippi, aufgebracht an: »Du gehst mir sowas von auf den Sack! Jeden Tag schickst du die Kontrolleure vom Gesundheitsamt in meine Betriebe.« Sofort sprach Chiriaco mit dem zuständigen Beamten. Und mit der Gemütsruhe von jemandem, der sich mit natürlicher Geschmeidigkeit in den Mäandern der Macht bewegt und der weiß, welche Züge er machen muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen und das bisherige Gleichgewicht zu erhalten, schlug er seinem Kollegen vor: »Gigi, hör mal … heute dürfen die da nicht hingehen … sag ihnen, sie sollen heute mit Wohlwollen prüfen, das ist auch ein politisches Problem. … Also in den Grenzen der Angemessenheit.« Chiriaco kann mit Macht umgehen. Und wenn er darauf hinweist, dass das »auch ein politisches Problem ist«, weiß er genau, wovon er redet. Er und die Politik sind nicht voneinander zu trennen. Und gerade in der Gesundheitsbehörde geht es hauptsächlich um Politik, Interessenausgleich, Vergünstigungen. Man gibt Geld aus, um Ausschreibungen durch ihm nahestehende Firmen gewinnen zu lassen. So wie die seines Cousins Rodolfo Morabito. Chiriaco hat daraus ein ganzes System entwickelt. Er ist die zentrale Anlaufstelle in diesem gallertartigen System. Entscheidungen, Auswahl, Ratschläge gehen von ihm, von seinem Büro aus.
    Von außen scheinen die Gesundheitsbehörden von Locri in Kalabrien und Pavia in Norditalien Welten voneinander zu trennen. In Pavia funktioniert das Gesundheitssystem auf effiziente Weise. Gebäude und Ausstattung sind auf dem neuesten Stand. Menschen aus ganz Italien reisen nach Pavia, um sich behandeln zu lassen. Auch das Personal kommt aus anderen Teilen Italiens, hauptsächlich aus dem Süden. An der Ostküste Kalabriens setzen die Menschen nicht viel Vertrauen in die zuständige Gesundheitsbehörde von Locri. Die Verschwendungen der letzten Jahrzehnte haben die Behandlungsqualität spürbar sinken lassen. Millionen Euro wurden heimlich in Privatkliniken umgeleitet, die angeblich zum Umfeld der ’Ndrangheta gehören. Dieser Verschwendung entspricht jedoch auch dort nicht die Behandlungsqualität. Deshalb unternimmt man die weite Reise in den Norden, wenn man es sich leisten kann. Nach Pavia, Mailand, Modena oder Bologna. Auf der Suche nach einer angemessenen Behandlung, einem menschenwürdigen Krankenhausaufenthalt. Ohne dass man, wie in Locri, durch die Gänge laufen und dabei himmelschreiende Zustände mitansehen muss: Zigarettenstummel auf den Fensterbänken, kaputte Stromleitungen, Schmutz, verklemmte Fenster.
    Eine Gesundheitsbehörde zu leiten, die solche Zustände zu verantworten hat, hätte Chiriaco sich rundheraus geweigert. Seine Stärke ist es, einen herausgehobenen Servicestandard zu garantieren, dabei aber heimlich Gelder für sich abzuzweigen und diese für andere Vergünstigungen und Bewilligungen einzusetzen. Einen Posten oder eine Vergünstigung konnte Chiriaco jederzeit bei vielen anderen einfordern, weil er sich auf diese Weise die Wohlgesonnenheit seines Umfelds erworben hatte. Er hat dabei die Gesundheitsbehörde von Pavia nicht ruiniert, wie es der entsprechenden Behörde in Locri

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