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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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ist.
    Einige Tage nach der Schlägerei gehen die Gebrüder Perrone den Ermittlern ins Netz. »Bit« ist alarmiert. Er selbst kommt zunächst davon, aber wie er als Anwalt weiß, sollte man sich in solchen Fällen nie zu sicher fühlen. Es vergehen ein paar Tage, einige Monate, fast ein Jahr seit der Verhaftung von Perrone. »Bit« hat den versuchten Betrug, den Streit mit dem Verkäufer, die Mafia-Methoden von Perrone, der ihm zu Hilfe kam, schon fast vergessen. Er hat die Angelegenheit verdrängt.
    Zwischenzeitlich kommt ihm zu Ohren, dass die Wirtschaftsverbände von Modena einer Ethik-Erklärung zugestimmt haben, die im Falle einer Verurteilung für Mafia-Verbrechen den Ausschluss von Mitgliedern sowie bei laufenden Verfahren deren Suspendierung vorsehen. Was für scheinheilige Typen, denkt sich »Bit«. Es geht doch alles nur um den äußeren Schein. Zur Vorstellung der Ethik-Erklärung am 28. Januar erscheint auch die Anwaltszunft von Modena. Auf diese Weise, so denkt sich »Bit«, bekämpft seine Zunft zusammen mit den Lokalpolitikern am Tag die Mafiosi, und bei Nacht übertreten sie trotz aller Moralbeschwörungen die Gesetze, die ihrer mafiösen Klientel schaden könnten. Und am nächsten Tag, wenn die Ethik-Erklärung vorgestellt wird, sonnen sie sich wieder öffentlich im Scheinwerferlicht.
    »Bit« hat jetzt endgültig genug. Ihm stinkt diese Scheinheiligkeit, und er denkt an all die Kollegen, die den Gerichtssaal mit der Politikbühne vertauscht haben. Wie viele Strafrechtler verteidigen Mafiosi aus Modena und stimmen gegen die Anti-Mafia-Gesetze, unterzeichnen aber zugleich die Ethik-Erklärung. Oder sind gegen beide. Er ist verwirrt, denkt nach und fragt sich, ob er wegen der Hilfeleistung von Perrone in Schwierigkeiten kommen könnte.
    Am 21. Februar 2010 verhaftet ihn die Polizei. Er wird ins Sant’-Anna-Gefängnis von Modena gebracht. Gegen ihn wird wegen der Hilfeleistung Perrones ermittelt. Die Ermittlungsrichter unterstreichen in ihrem Bericht, dass ihm bewusst war, welche Methoden Perrone anwenden würde. Das bringt ihn endgültig hinter Gittern. Er wird nach Artikel 7, erschwerenden Umständen im Zusammenhang mit mafiösen Aktivitäten, verurteilt. Der Anklage zufolge ist der Anwalt zwar kein Gefolgsmann der Mafia, hat aber ihre Dienste genutzt, um ein Problem weit vor den vorgesehenen juristischen Fristen zur Lösung zu bringen. In der Berufungsverhandlung wird diese Beschuldigung wieder aufgehoben, aber die Staatsanwälte halten weiter an ihr fest. Für den Anwalt »Bit« ist das alles ein Alptraum. Staatsanwälte und Ermittlungsbeamte waren bis dato Teil seiner Arbeitswelt. Jetzt findet er sich auf der Anklagebank wieder, mitten in einem Mafia-Verfahren. Mitten in einem Verbrechen, das sich aus Gewalt und Abrechnungen zusammensetzt. Und das nicht in Casapesenna, dem süditalienischen Heimatort von Michele Zagaria, dem Oberboss, sondern im Zentrum von Modena.
    Das Schauspiel bietet alles: den Mafioso, den Anwalt, der die Hilfe des Bosses erbittet, das Opfer, die Verletzten, den Mafia-Treffpunkt, die Schläge, die Drohungen, der Täuschungsversuch und die Gegentäuschung. Es gibt ja nicht nur Bitoni, der außergerichtliche Beziehungen mit Perrone unterhält. Es gibt noch einen zweiten Anwalt, der Perrone betreut und ihn berät. Ein Anwalt aus dem süditalienischen Nola, Paolo Molaro. Er hatte Perrone dazu geraten, an den Präsidenten der Republik zu schreiben und sich als Justizopfer darzustellen. Der Anwalt aus Nola riet Perrone auch dazu, wie er sich im Falle eines Erpressungsvorwurfs aus Modena verhalten sollte. »Leute, die Anzeige erstatten, sind Scheißkerle und sollten an einem Hochspannungsmast aufgeknüpft werden.« In einem anderen Abhörprotokoll, das zur Untersuchungshaft für Perrone letztes Frühjahr beitrug, ergänzt der Anwalt aus Nola: »Der Typ schrammte nur knapp an einer Pistolenkugel vorbei. Arschlöcher, die nicht zahlen und Probleme machen, müssen erschossen werden.« Aus diesen Unterhaltungen geht die Intensität gefährlicher Nähe zwischen Mafiosi und ihren Beratern mit weißer Weste hervor. Selbständige, die den Clans dabei helfen, sich in neuen Gebieten festzusetzen und zu gedeihen.
    Im Krankenzimmer der Klinik, in welcher »Silviuccio« logiert, gibt es ein ständiges Kommen und Gehen von Personen. In den Gesichtern der Patienten, die mit ihm ein Zimmer teilen, lässt sich die Wut über die Zustände ablesen, die sie ertragen müssen. Die Aussichtslosigkeit,

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