Mafia Princess
dass ihre Frisur fest wie ein Helm war. Joey landete darauf, ohne dass sie es merkte. Da saß er dann, reglos auf ihrem Kopf, und sie redete und redete. Erst wenn sich Mum vor Lachen bog, merkte sie es und jagte mich durchs ganze Haus.
Wir machten gelegentlich Tagesausflüge nach Blackpool, spazierten am Strand lang und warfen Steine ins Meer. Zum Abendessen gab es als Besonderheit Fish and Chips und Karamellpudding. Es war alles so einfach, so normal, ein völlig anderes Leben.
Und es war eine völlig andere Sprache. Ich beherrschte nur wenige Worte Englisch. Ich konnte nicht auf Englisch schreiben, nicht auf Englisch zählen und auch den englischen Unterricht nicht verstehen, was bedeutete, dass die Lehrer und Lehrerinnen auf der Carlton-Green-Grundschule fantastisch gewesen sein müssen, denn ich gedieh dort prächtig. Man widmete mir viel Aufmerksamkeit, ich bekam Einzelunterricht, und als ich einige Jahre später auf die Hodgson High School wechselte, auf die auch Mum gegangen war, hatte ich aufgeholt und war so gut wie die anderen. Im Englischen war ich sogar besser als die meisten Kinder meines Alters.
Ich mochte die Schuluniform, die Mum mir jeden Morgen aufs Bett legte. In dem grauen Rock, dem hellblauen Pullover und der blau und grau gemusterten Krawatte kam ich mir wichtig vor. Eine Krawatte hatte ich vorher noch nie getragen, und ich fühlte mich elegant und erwachsen.
Ich musste einfach nur mein englisches Ich finden. Bis dahin hatte ich auf Italienisch gesprochen und gedacht, doch jetzt musste ich in einer anderen Sprache und Kultur funktionieren, musste ein Mädchen aus Lancashire werden. In dem Alter war ich wie ein Schwamm, der die ganzen neuen Informationen aufsog. Ich arbeitete fleißiger, weil ich nicht anders sein wollte, weil ich dazugehören, ein kleines Mädchen wie andere kleine Mädchen sein wollte, und ich wollte nicht nur wie die anderen Mädchen reden, sondern auch so klingen wie sie.
Natürlich interessierten sich die anderen Kinder gerade deshalb für mich, weil ich anders war. Sie verlangten, ich solle ihnen italienische Flüche beibringen, die sie dann auf dem Schulhof nachplapperten. Inzwischen konnte ich in zwei Sprachen fluchen. Ich war beliebt und konnte mich behaupten. Auf der Grundschule geriet ich in einige Balgereien, aber es war nie etwas Ernsthaftes.
Zu einer halbwegs ernsthaften Balgerei kam es erst, als sich ein Mädchen, dem ich vertraute und das ich für eine wahre Freundin hielt, gegen mich wandte. Sie war ein kräftiges Mädchen und meinte: »Ich bin die Stärkste aus der Klasse.«
Weil sie meine Freundin war, blieb ich sanft. Ich fragte: »Woher willst du das wissen?«
Sie zeigte es mir, indem sie mich boxte. Es war im letzten Jahr auf der Grundschule. Die Kinder rannten auf dem Schulhof hin und her und grölten: »Schlagt euch, schlagt euch, schlagt euch.« Vielleicht wollte sie sich nur produzieren, vielleicht hatte sie eine gemeine Ader. Auf einmal prügelte sie auf mich ein, richtig fest, stieß mich zu Boden, setzte sich auf meinen Bauch, und dann schlug sie noch ein paarmal zu. Ich war entsetzt darüber, dass meine Freundin mich so verletzen konnte.
Am nächsten Tag krümmte ich mich vor Schmerzen. Es stellte sich heraus, dass mein Blinddarm rausmusste, doch Mum behauptete steif und fest, es sei die Schuld dieses Mädchens.
Einmal, ich war gerade dreizehn, erwischte ich ein Mädchen in meinem Alter dabei, wie sie eine Elfjährige gegen eine Wand schlug. Ich packte die Rabaukin, hielt sie am Nacken fest, stieß sie gegen die Wand und fragte sie: »Na, wie gefällt dir das? Wenn ich dich noch einmal bei so was erwische, passiert dir was Schlimmeres, als nur gegen die Wand geklatscht zu werden.« Ich konnte es nicht ertragen, weil ich wusste, wie es sich anfühlte.
Als ich älter wurde, konnte ich, wenn jemand bösartig zu mir war, im Gegenzug auch ganz schön biestig werden, aber niemals verhielt ich mich grundlos aggressiv. In der Schule war ich laut und ein bisschen frech, aber nachsitzen musste ich nicht oft, ich schien immer mit allem durchzukommen. Meine schulischen Leistungen hätten sehr viel besser sein können. Ich war nicht faul. Ich war einfach nur zu beschäftigt: mit meinem Make-up, mit meinen Kleidern, mit meinem Leben als Teenager. Schwer von Begriff war ich nicht, hatte aber auch nicht den Kopf fürs Akademische. Ich war gut in Sport und vertrat die Schule bei Wettbewerben in Speer- und Diskuswerfen, doch richtig begeistern konnte ich
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