Mafia Princess
und Valeria lief zeitweise nebeneinanderher. Bei einer Reise trafen sie sich alle am Flughafen von Zürich.
Valeria über Cranendonks Tochter: »Das ist eine hässliche Kuh!«
Cranendonks Tochter über Valeria: »Sie ist furchtbar, total reizlos.«
Dad hielt sich da raus – und hielt sich fern von rivalisierenden Gangstern und der Polizei. Andauernd war er mit Valeria unterwegs, in Spanien und Portugal, wo er sich sicher fühlte, in dem einen Hotel und dem anderen. Nie blieb er lange an ein und derselben Stelle. Als er dann doch wieder in die Wohnung bei der Scala zurückkehrte, um in der Stadt Geschäfte zu machen, wurde er von etwa fünfzig Polizisten verhaftet. Sie hatten ihn aufgespürt. Sie wussten, dass er nichts Gutes im Sinn hatte, aber beweisen konnten sie nichts. Noch lief die Bewährung nach seiner Haftstrafe wegen Totschlags; er war einfach auf und davon, und als die Bürokraten endlich ihre Arbeit getan hatten, waren einige Jahre vergangen. Also präsentierten sie ihm ihren Haftbefehl, und nach einem kurzen Gastspiel vor Gericht saß Dad wieder in San Vittore.
Seine alten Verletzungen machten ihm wieder zu schaffen. Großmutter schickte einen Arzt ins Gefängnis, der ihn untersuchen sollte. Es war ernst, und mein Vater musste ins Krankenhaus. Das Personal erfuhr nicht, in welches Krankenhaus und an welchem Tag und um welche Uhrzeit. Er sollte ins berühmte Fatebenefratelli-Krankenhaus in Mailand gebracht werden. Alles unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen.
Über den korrupten Arzt hatte Großmutter einen sekundengenauen Zeitplan. Wir wussten alle von Anfang an Bescheid. Ich war nervös. Bruno war mit von der Partie und stand um sechs Uhr morgens auf. Man hatte Dad Handschellen angelegt, und dann eskortierten ihn acht Männer ins Fatebenefratelli. Das ist ein altes Krankenhaus mit unterirdischen Tunneln, durch die lange Korridore führen. Die bewaffnete Eskorte benutzte einen Seiteneingang, um den vielen Menschen aus dem Weg zu gehen. Die Leute wollten jeglichen Kontakt vermeiden, bis sie in den Untersuchungsräumen waren.
Ein Wachmann namens Marco drohte Dad: »Wenn was passiert, sind Sie der Erste, den es erwischt. Ich werde Sie erschießen.«
Doch Dads Fluchthelferteam, alles Männer kaum älter als ich, die ihren obersten Chef raushauen wollten, arbeitete präziser als die Polizei und das Gefängnispersonal. Sie trugen Ärztekittel, die sie eigens aus der Krankenhauswäscherei hatten stehlen lassen. Sie wussten, Dad würde über die Treppen gebracht, nicht mit dem Aufzug. Und er würde nicht am Empfangsbereich auf der dritten Etage vorbeigehen, sondern durch einen Korridor hinter dem Empfangstresen. Sie alle trugen Waffen und hatten ein paar Elektroschockpistolen dabei, das neueste technische Spielzeug im Bandenkrieg.
Im Korridor, auf dem das Ärztezimmer lag, stießen sie auf die Eskorte. Sie sprühten den Leuten Tränengas ins Gesicht und setzten sie mit den Elektroschockern außer Gefecht.
Dad befahl Marco: »Los, ab mit den Handschellen.«
Marco pinkelte sich in die Hosen, während sich einer von Dads »Ärzten« die Schlüssel schnappte und die Handschellen öffnete.
Sie flohen über die Hintertreppe des Krankenhauses und durch die unterirdischen Gänge zu einem wartenden Bus, einem Reisebus von einem für die Familie mit Drogen handelnden Busfahrer. Dad kletterte in das geheime Versteck, wo Lebensmittel und Wasser warteten. Einundzwanzig Stunden später befand er sich im Süden von Spanien.
Die Flucht war eine Sensation. Die Ärztekittel, die Präzision. Wenn die Mailänder danach vom Krankenhaus Fatebenefratelli sprachen, witzelten sie nur mit einem Blick hoch in den Himmel: »Ah, da operiert der oberste Chef persönlich.«
Die italienischen Zeitungen berichteten lang und breit über die Elektroschockgeräte, denn die waren damals eine Neuheit. Nicht einmal die Polizei hatte so etwas. Es hieß, es sei die erste Waffe dieser Art in Italien. Ein Foto davon fand sich auf den Titelseiten.
An dem Tag zog ich in Mailand die Jalousien zu, stieg in mein Auto und fuhr nach Rimini. Ich wusste, die Polizei würde bei mir anklopfen und mich ausfragen. Ich hätte nichts gesagt. Was hätte ich ihnen auch mitteilen können? Ich wusste, was passieren würde, aber die Einzelheiten kannte ich nicht. Na ja, nicht die ganzen Einzelheiten.
Kurz vor der Flucht hatte ich mich mit Bruno verständigt, und zwar mit der damaligen Weltneuheit, einem Handy. Es war damals noch ein Millionärspielzeug,
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