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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Gravano
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Tatsächlich begriff sie sehr wohl. Sie hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, uns vor Papas Welt zu behüten. Sie hatte immer gewusst, dass sie die Realität der Cosa Nostra nicht für alle Ewigkeit vor uns verbergen könnte. Wir hatten immer Geld, etwas zu essen auf dem Tisch und ein Sommerhaus. Wir machten schöne Ferien. Papa sorgte stets dafür, dass Mama ein hübsches Auto fuhr. Es fehlte uns an nichts. Mama war dabei jedoch bewusst, dass wir eines Tages die Folgen dieser Art des Broterwerbs zu spüren bekommen würden. Nun war dieser Zeitpunkt gekommen. Sie akzeptierte das, wusste jedoch nicht, wie sie es ihren Kindern beibringen sollte.
    Ich hatte mir nie Gedanken darum gemacht, dass der Tod fester Bestandteil des Ganzen war. Wenn ein Todesfall eintrat, erschien alles, was um uns herum geschah, stets viel größer als der Todesfall selbst. Seit dem Tod von Stymie und Nicky war ich mein ganzes Leben lang mit dem Tod konfrontiert gewesen. Mein Vater ging schon zu Beerdigungen, als ich noch ein kleines Kind war.
    Nur ein hauchdünnes Deckmäntelchen lag über allem, was mein Vater tat. Papa war wie Superman. Zu Hause war er ein liebevoller, lustiger, charmanter und warmherziger Vater, der trotzdem Wert auf ein wenig Disziplin legte. Wenn er das Haus verließ, zog er sein Superman-Kostüm an. Er war elegant, ging aufrecht und verströmte einen Hauch von Autorität. Ich dachte, er würde als Gentleman respektiert, doch in Wahrheit fürchteten sich die Menschen vor ihm. Er war gefährlich und mächtig und kontrollierte etwas, wenn ich auch nicht so ganz genau wusste, was. Ich sah niemals die andere Seite von Sammy the Bull, die gewalttätige Seite des eiskalten Mörders.
    Mama hatte schon mehrfach von Männern gehört, die untergetaucht waren. Wenn sie überhaupt wiederkamen, wanderten sie normalerweise sofort ins Gefängnis. Es hatte auch Fälle gegeben, in denen Männer geflohen waren, ihre Identität geändert hatten und nie wieder aufgetaucht waren. Andere hatte man tot gefunden. Wenn ein Mann untertauchte, kappte er in der Regel sämtliche Verbindungen zu seinem früheren Leben, um das Risiko für seine Familie möglichst gering zu halten. Das war für alle am sichersten. Meine Mutter war eine waschechte Mafiabraut: Sie stellte niemals Fragen und tat, was man ihr sagte. Sie dachte wohl, wenn sie Probleme einfach ignorierte, würden sie von selbst wieder verschwinden.
    Diesmal jedoch schien sie zu begreifen, dass es damit nicht getan war. Trotzdem war sie unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Ihr Mutterinstinkt schaltete sich ein, also machte sie sich zunächst Gedanken darum, wie sie Gerard und mich vor dem schützen könnte, was bald geschehen würde.
    Am Morgen, nachdem der Artikel über Papas möglichen Tod in der Zeitung erschienen war, erwachte ich, weil mich meine Mutter von unten rief: »Karen, komm herunter.« Ich ging nach unten, und da stand mein Papa. Er trug einen Vollbart und ein grünes Hemd. Ich fing an zu weinen. »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen«, sagte ich.
    »Ich konnte nicht fortbleiben, selbst wenn eine Rückkehr bedeutet, dass ich den Rest meines Lebens hinter Gittern verbringen muss.«
    »Was meinst du damit?«, fragte ich. »Gefängnis?«
    Er wich der Frage aus. Wir setzten uns zum Frühstück, dann ging Papa in sein Zimmer und rasierte sich. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt gewusst, wo er sich aufhielt. Ich wollte es wissen, erkannte aber, dass es noch nicht an der Zeit war, ihn danach zu fragen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, dass ich nicht das Recht hatte, Fragen zu stellen. Meine Frage nach dem Gefängnis spielte ohnedies keine Rolle mehr. Ich war einfach überglücklich, dass er wieder zu Hause war, wenn dieses Glück auch nur von kurzer Dauer sein sollte.
    Später erfuhr ich mehr: John hatte gedacht, wenn mein Vater die Stadt verließe, könnten die Bundesbehörden auch keine Klage gegen die anderen erheben. Er sollte sich nach Brasilien durchschlagen und die Familie von dort aus leiten. Er hatte sich in der Nähe von Atlantic City aufgehalten. Dort hatte er falsche Pässe in Auftrag gegeben und überlegt, welche Städte in Südamerika eine gute Operationsbasis abgeben könnten.
    Mein Vater war schon seit Pauls Tod und unserem Umzug in die Lamberts Lane observiert worden. Die ganze Überwachung war mir wie ein Spielchen vorgekommen. Papa und seine Männer hatten Witze über das FBI gemacht. Vom Blumenladen aus hatte ich einmal die

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