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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Gravano
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die FBI-Leute die Papiere aller anderen Männer im Club überprüften. Einer nach dem anderen durfte das Etablissement verlassen, bis nur noch Papa, John und Frankie übrig waren. Die Männer tranken ihren Kaffee aus, dann las man ihnen ihre Bürgerrechte vor, legte ihnen Handschellen an und brachte sie zu Zivilfahrzeugen, die in der Mulberry Street warteten. In separaten Autos wurden die drei Männer zum Metropolitan Correctional Center (MCC) gefahren.
    Irgendwie hatte die Presse davon erfahren, sodass vor dem Gefängnis in der Centre Street bereits Trauben von Reportern ungeduldig darauf warteten, dass sie aus den Wagen stiegen. John trug seinen schicken schwarzen Nadelstreifenanzug, eine schwarz-rot-goldene Krawatte und einen gelben Seidenschal, immer herausgeputzt und bereit für die Kameras. Als ein Reporter auf Papa zeigte und fragte, ob er einer von den Kerlen sei, scherzte er: »Nein, ich habe diese beiden Typen hier verhaftet« – und deutete dabei auf die FBI-Beamten zu seiner Rechten und seiner Linken. »Alles unter Kontrolle.«
    Im Innern des MCC befahl man den Männern, ihre Straßenkleidung abzulegen, alles bis auf die Socken. Vor der Verhaftung im Ravenite hatte sich John noch darüber mokiert, Papa habe sich »nicht dem Anlass entsprechend gekleidet«. Damit meinte er die Verhaftung, bei der er vor den Kameras posieren wollte. Nun jedoch, da die Männer im Gefängnis und bis auf die Socken entkleidet waren, schien es John nicht mehr so sehr zu stören, dass Papa dicke Sportsocken trug. In dem kalten Gefängnis waren sie von Vorteil. John fragte meinen Vater, ob er sie ihm ausleihe. Mein loyaler Vater zog sie aus und reichte sie ihm.
    Ich wusste zwar, dass Papa ein Gangster war, fand aber, dass die Zeitungen und das Fernsehen mit ihrer Mafia-Berichterstattung übertrieben. Nach der Verhaftung meines Vaters erfuhr ich jedoch bald, dass ich die Bedeutung des Wortes Gangster für mich ein wenig heruntergespielt hatte. Zunächst hatte ich gedacht, er würde gegen Kaution entlassen und zu uns nach Hause zurückkehren. Wir waren flüssig genug, um das Geld zu hinterlegen. Aber so lief das nicht. John, Frankie und mein Vater wurden als gefährlich und als Bedrohung für die Gesellschaft eingestuft. Eine Freilassung auf Kaution wurde verweigert, und sie blieben in Haft.

Ich zog mich nie besonders schick an, wenn ich Papa im Gefängnis besuchen ging. Es gab keinen Grund dafür. Ich wollte dort niemanden beeindrucken. Es gab nur zwei Regeln: Zieh dich auf keinen Fall sexy an, und trag nichts Orangefarbenes, denn das ist die Farbe der Knast-Turnanzüge. Ich zeigte generell nicht viel Haut, und Orange stand mir ohnehin nicht besonders gut, also war das kein Problem. Ich föhnte lediglich mein Haar glatt und machte mir ein Dutt, dem gängigen »Guidette-Look« der damaligen Zeit entsprechend. Dann zog ich ein Paar Cavaricci-Jeans und einen weiten Pulli an. Solange meine Schlüsselbeine bedeckt blieben, war alles in Ordnung.
    Das Metropolitan Correctional Center, in dem Papa einsaß, lag im unteren Teil von Manhattan, ein wenig südlich von Little Italy, direkt neben der City Hall. Darin lag eine gewisse Ironie. Als Kind hatte ich immer gedacht, die Bullen wären die Bösen, nicht mein Vater.
    Das Gefängnis war ein hoher Ziegelbau mit Fenstern, die derart winzig und schmal waren, dass ich mich immer fragen musste, ob die Insassen durch sie überhaupt etwas sahen. Ich stellte mir gern vor, dass es so wäre, denn so hätte uns Papa hinterherschauen können, wenn wir nach unseren Besuchen zum Wagen zurückgingen. John, Frankie und Papa waren am 11. Dezember 1990 dort inhaftiert worden. Allen drohten Anklagen wegen mehrfachen Mordes und Bandentum. John und Papa waren in einem Spezialtrakt für hochrangige Mafiagangster untergebracht. Frankie war im selben Gebäudeteil, aber in einer anderen Zelle. Der Besuch von Staten Island aus wurde für Mama und mich bald zur Routine. Wir fuhren mindestens einmal pro Woche hin.
    Meine Mutter war schon immer eine zwanghaft pünktliche Frau, also bestand sie darauf, dass wir an jenen Tagen, an denen wir Papa besuchten, das Haus mindestens zwei Stunden vor der verabredeten Besuchszeit verließen. Die Besucher wurden gruppenweise hereingelassen. Wer zu spät kam, musste daher manchmal zwei oder drei Gruppendurchgänge abwarten und weitere dreißig, sechzig oder neunzig Minuten im Wartebereich verbringen.
    Wenn wir den ganzen Papierkram erledigt hatten, führte uns ein Wachmann erst

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