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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Gravano
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»sie wird es weit bringen« – was mich definitiv ärgerte, weil ich mich dadurch beurteilt fühlte. »Ich möchte gerne, dass du sie kennen lernst«, sagte er, als ob ich die Bekanntschaft von jemandem machen wollte, über den er besser dachte als über mich.
    Ich war schon eine Weile nicht mehr in Arizona gewesen, also beschloss ich, meinen Eltern einen Besuch abzustatten. Während ich dort war, lernte ich Papas Assistentin Jen kennen. Sie war definitiv aus dem Westen. Ihr fehlte der städtische Schick. Doch obwohl sie keine Designerklamotten trug, fühlte ich mich neben ihr ganz klein. Sie war nicht schick, besaß aber eine aggressive Intelligenz. Papa hatte Recht: Sie würde es bestimmt einmal weit bringen.
    Das College bedeutete mir nichts. Ich verdiente jetzt dreitausend Dollar pro Woche, auch ohne College-Abschluss. Trotzdem spürte ich, dass ich nicht in Jens Liga spielte. Sie machte mich eifersüchtig.
    Während ich aufwuchs, sah mich Papa immer an und sagte, ich würde es einmal zu etwas bringen und einen geachteten Beruf ausüben, vielleicht Ärztin oder Rechtsanwältin werden. Bei meinem jetzigen Besuch in Arizona schaute er mich nicht mit diesem Blick an. Er dachte nicht: »Ich glaube an dich; ich werde eines Tages stolz auf dich sein.« Irgendwie hatte er mich aufgegeben. Zum ersten Mal hatte er auch nicht darauf bestanden, dass ich ihn besuchen kam. Es schien ihm egal zu sein, ob ich kam oder nicht.
    Meine Eltern hatten alles für mich getan, was in ihren Kräften gestanden hatte, und sahen mein Leben aus einem ganz anderen Blickwinkel als ich selbst. Ich war viel zu betriebsblind und dachte, Geld zu verdienen sei alles, worauf es ankam. Es war mir egal, wie ich es verdiente, solange es hereinkam.
    Als ich nach meinem Besuch wieder zurück in New York war, begann ich mich unzulänglich zu fühlen. Ich war deprimiert. Viele unserer Kunden hatten studiert, waren Ärzte und Rechtsanwälte, also genau dort, wo mich mein Vater so gerne gesehen hätte – einmal abgesehen von ihrem Marihuanakonsum. Wenn ich sie zu Hause aufsuchte, fragte ich mich oft, wie es wäre, zu haben, was sie hatten: gesellschaftliches Ansehen, eine hübsche Wohnung und einen guten Beruf.
    Um dem Ganzen noch eins obendrauf zu setzen, versuchten die Kids in meinem alten Viertel inzwischen ernsthaft, Gangster zu werden. Keine Radkappen und sonstiger Kleinkram mehr. Doch genau dieses Gangsterleben war schuld daran, dass meine Familie zerbrochen war, dass mein Vater im Gefängnis gesessen hatte, dass Mama weit weg in einem anderen Staat lebte und mein Bruder einem Mordanschlag nur deshalb entgangen war, weil Papas Freund zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen war. Ich hatte Heimweh nach meiner Familie.
    Nicht nur das, ich fühlte mich auch entsetzlich schuldig für etwas, das Gerard geschehen war. Ich hatte meinen Bruder gebeten, mir ein Pfund Gras aus Arizona per Express nachzusenden, und er war dabei erwischt worden. Er gab das Päckchen nach New York bei einem Postamt auf, dick in Zeitungspapier eingewickelt und verpackt mit braunem Packpapier und Klebeband. Die Schalterangestellte fand, dass er verdächtig aussah. Als er bezahlt und das Postamt verlassen hatte, öffnete sie daher das Päckchen und fand das Gras. Sie wusste nicht, wie sie ihn ausfindig machen sollte, da sich auf dem Päckchen kein Absender befand. Als ich ihn am nächsten Tag anrief und sagte, die Sendung sei nicht eingetroffen, rief er auf dem Postamt an, um nachzuhaken, wann das Päckchen verschickt worden sei. Er geriet an dieselbe Schalterangestellte, der es gelang, seine Nummer per Computer zurückzuverfolgen. Dann verständigte sie die Polizei.
    Die Bullen riefen meinen Bruder an und sagten, er müsse sich stellen. Gerard bat Papa um Hilfe, der ihm in Phoenix einen Rechtsanwalt besorgte. Am Ende kam Gerard noch einmal davon, weil die Frau das Päckchen ohne amtlichen Beschluss geöffnet hatte, sodass die Durchsuchung und Beschlagnahme illegal gewesen waren. Trotzdem war mein Vater wütend auf Gerard. Mein Bruder hatte ein Haus, ein Restaurant und einen Sohn, also hielt Papa es für leichtsinnig und unverantwortlich, dass er sich mit Marihuana hatte erwischen lassen.
    Gerard erzählte meinem Vater nie, dass das Päckchen für mich bestimmt gewesen war. Er hielt sich an den Familienkodex: Nicht petzen, macht es untereinander aus. Mein Vater wusste, dass Gerard und ich ab und zu ein kleines Ding drehten, aber er wusste nichts von meinem Drogengeschäft.

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