Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht
wenn diese zur Arbeit fuhren.
Am Ende des Häuserblocks holte Stanley einen Strom von zur Arbeit eilenden Menschen ein, die später vom Zug verschluckt und weitertransportiert wurden wie von einem Fluß, der den Schlamm mit sich spült.
Stanley überdachte noch einmal seinen Tagesplan, als er sein Büro betrat und die Tür hinter sich zuzog. Sofort stellte er gewisse Veränderungen fest. In der Tat hatte der Raum mit dem, den er am Abend vorher verlassen hatte, wenig Ähnlichkeit. Er wirkte mehr wie eine halberleuchtete Bühne, von deren Fußboden da und dort Nebelschwaden aufstiegen.
In der Mitte saß eine einsame Gestalt in Abendkleidung an einem runden Tisch. Die Stimme klang hohl und irgendwie künstlich – so, als probte ein Schauspieler am Grunde eines Schachtes seine Rolle.
»Guten Tag«, sagte der Mann mit einem leicht britischen Akzent. »Wollen Sie sich nicht zu mir setzen? Für die nächsten 90 Minuten werde ich Ihr Gastgeber sein.«
»Guten Tag«, sagte Stanley. Nach einem kurzen Zögern ging er hinüber, legte seinen Hut und die Aktentasche auf den Tisch und setzte sich.
»Sie befinden sich an einem Ort, an dem sich nie ein Sterblicher zuvor aufgehalten hat«, der Gastgeber sprach, als richte er seine Worte an eine große Zuhörerschaft. »Sie befinden sich direkt über dem Horizont. Der genaue Punkt? Nun, den finden Sie auf keiner Landkarte, genausowenig, wie das Datum auf irgendeinem Kalender verzeichnet ist.«
»Heute ist Dienstag«, sagte Stanley, »der Siebzehnte.«
»Es ist jetzt fünfundzwanzig Uhr am einunddreißigsten November«, sagte der Gastgeber. »Sie befinden sich am Beginn Ihrer gefährlichen Reise ins Unbekannte.«
Stanley warf einen Blick auf die Uhr. »Ich hätte ein paar Telefongespräche zu erledigen –«
Der Gastgeber lächelte. »Vielleicht habe ich Sie unnötigerweise irregeführt«, sagte er in mehr unterhaltendem Ton. »Dies hier ist, wie Sie vielleicht bemerkt haben, eine neue Art Fernsehprogramm. Es ist eine Kombination zwischen Abenteuer, Magie und Direktteilnahme des Publikums. Ein Mann von der Duke Universität kam auf diese Idee.«
Stanley nickte höflich. »Hört sich recht interessant an.«
»Es ist mehr als nur interessant«, sagte der Gastgeber. »Es ist Hexerei, schwarze Kunst und Zauberei, durch die Wundermittel moderner Kommunikation in jedes Haus gestrahlt. Zum erstenmal wird jedes Mitglied des Publikums selbst an den Gewalttätigkeiten und den Schrecken teilnehmen, die so viele schon glücklich gemacht haben.«
»Leider muß ich gestehen, daß ich in bezug auf das Fernsehen in letzter Zeit nicht auf dem laufenden geblieben bin«, sagte Stanley. »Seit wir unser Verandadach erneuert haben, sitzen wir sehr viel draußen.«
»Sie werden schon zur rechten Zeit wissen, was Sie tun müssen«, versicherte der Gastgeber. »Sie sollen keine Rolle spielen, sondern Sie werden diese Rolle erleben. Stanley Dobbs – du bist dabei!« Die letzten Worte hallten in Echos wieder, sie wurden zusammen mit dem Licht nach und nach gedämpfter, bis Stanley sich in völliger Dunkelheit und Stille wiederfand.
Als es hell wurde, stand Stanley an der Pforte eines Nachtklubs. Der Portier verbeugte sich. »Der Kommissar hat Sie schon gesucht«, sagte er.
Stanley nickte mit abwesender Miene und ging hinein. Er setzte sich an einen ruhigen Ecktisch. Es waren schon viele Leute da; sie aßen, tranken und lauschten der Musik von Arabella und ihrem Damenorchester. Nach einem Weilchen gesellte sich Big Yvette, die Besitzerin, zu ihm. »Wir haben dich schon lange nicht mehr hier gesehen«, bemerkte sie.
Er zuckte die Schultern. »Du weißt, wie es geht.«
»Ja, ich versteh' schon.« Big Yvette legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich mache mir Sorgen um dich.«
»Ich habe viel zu tun«, sagte Stanley.
»Darüber sollten wir uns, glaube ich, nicht beklagen«, sagte sie. »Wo es soviel Arbeitslose gibt.«
Ein Kellner näherte sich dem Tisch. Er trug eine Flasche Cognac, Marke Napoleon. »Empfehlungen von Arabella und ihrem Damenorchester«, erklärte er.
»Oh!« Plötzlich stellte Stanley fest, daß die Musik nicht mehr spielte.
»Sie sind in den Garderoben«, sagte der Kellner.
»Ich möchte mich gern bei ihnen bedanken«, sagte Stanley. Er stand auf und ging hinter die Bühne.
Die Dirigentin blickte auf und stieß einen Freudenschrei aus. »Liebling, wir haben dich vermißt!« Sie legte ihm die Arme um den Hals.
»Ich wollte mich nur bei euch bedanken«, sagte er, »bevor ich
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