Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht
Himmel, wo es verschwunden war, und schüttelte den Kopf.
»Aber ich habe doch schon Flugzeuge gesehen – und auch gehört. Das ist doch ganz anders. Sie machen Geräusche wie ein Motorrad, nur lauter. Das hier aber war furchtbar! Ich verstehe nicht – ich verstehe einfach nicht, was passiert ist ...« Seine Stimme klang hysterisch.
Frau Dolderson wollte ihm gerade antworten, als ihr plötzlich etwas einfiel: Sie dachte an das, was Harold ihr über Dimensionen erzählt hatte, wie man sie auf verschiedene Ebenen verteilen kann, und daß Zeit nur eine weitere Dimension war oder so ähnlich ... Voller Entsetzen verstand sie auf einmal alles – verstehen war vielleicht nicht ganz richtig – sie erkannte es vielmehr. Und sie wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. Wieder blickte sie den jungen Mann an. Er war noch immer sehr angespannt und zitterte am ganzen Körper. Er überlegte sich, ob er völlig verrückt geworden war. Sie mußte ihn daran hindern. Eine freundliche Art gab es nicht – aber sie mußte es versuchen.
»Arthur«, sagte sie unvermittelt.
Er blickte sie aus glasigen Augen an.
Bewußt verlieh sie ihrer Stimme einen kühlen Ausdruck.
»Dort drüben im Schrank steht eine Flasche Brandy. Bitte, hole sie – und zwei Gläser«, befahl sie.
Wie im Schlaf gehorchte er. Sie schenkte sein Glas bis oben hin voll Alkohol, sich selbst gab sie nur einen kleinen Schluck.
»Trink das«, forderte sie ihn auf. Er zögerte. »Nun mach schon«, drängte sie. »Du hast einen Schock durchgemacht. Es wird dir helfen. Ich möchte mit dir reden, aber das kann ich nicht, solange du halb wahnsinnig bist vor Angst.«
Er trank, verschluckte sich, setzte sich dann aber wieder gehorsam auf den Stuhl.
»Trink es ganz aus«, sagte sie bestimmt. Er leerte sein Glas.
»Fühlst du dich nun besser?« fragte sie.
Er nickte, schwieg aber. Sie überlegte ihre Worte sorgfältig und holte tief Luft.
»Arthur«, begann sie, nun wieder mit ihrer gewohnten sanften Stimme. »Was für ein Tag ist heute?«
»Was für ein Tag?« fragte er erstaunt. »Wieso – Freitag. Freitag, der – eh – siebenundzwanzigste Juni.«
»Das Jahr, meine ich, Arthur. Welches Jahr schreiben wir?«
Er blickte sie erstaunt an.
»Ich bin noch nicht total verrückt, wissen Sie. Ich weiß, wer ich bin und wo ich bin – glaube ich jedenfalls. Nur die Dinge und Gegenstände haben sich verändert. Ich kann Ihnen sagen –«
»Was ich gern von dir hören möchte, ist die Jahreszahl, Arthur.« Der befehlende Unterton war in ihre Stimme zurückgekehrt.
Er ließ sie nicht aus den Augen, als er antwortete:
»Neunzehnhundertdreizehn, natürlich!«
Frau Doldersons Blick wanderte zurück über die Blumen und den Rasen. Behutsam nickte sie. Das war genau das Jahr gewesen – und auch ein Freitag. Seltsam, daß sie sich noch daran erinnerte. Es hätte der 27. Juni sein können oder nicht – aber ganz bestimmt war es ein Freitag im Sommer des Jahres 1913 gewesen, an dem er nicht gekommen war. Das alles lag nun schon so furchtbar lange zurück ...
Seine Stimme versetzte sie in die Gegenwart. Sie klang angsterfüllt.
»Warum fragen Sie mich das mit dem Jahr?«
Er sah so hilfsbedürftig aus, und so jung. Ihr Herz zog sich zusammen. Sie legte ihre zerbrechliche Hand wieder auf seine starke und kräftige.
»Ich – ich glaube, ich weiß es«, sagte er zitternd. »Es – ich verstehe nicht, wie, aber Sie hätten das nicht gefragt, wenn nicht ... Das war das Seltsame, das passiert ist, nicht? Irgendwie ist es jetzt nicht mehr 1913 – das wollten Sie doch sagen, oder? Wie die Bäume gewachsen sind ... das Flugzeug ...« Er unterbrach sich und starrte sie aus weitaufgerissenen Augen an. »Sie müssen es mir erklären! Bitte! Was ist mit mir geschehen? Wo bin ich? Was bedeutet das alles?«
»Mein armer Junge«, murmelte sie.
»Bitte!«
Die Times mit dem halbfertig gelösten Kreuzworträtsel lag neben ihrem Stuhl auf dem Boden. Zögernd hob sie sie auf. Dann faltete sie sie zusammen und hielt sie ihm hin. Seine Hände zitterten, als er sie nahm.
»London, Montag, der 1. Juli«, las er. Und dann fügte er fassungslos hinzu: »Neunzehnhundertdreiundsechzig!«
Er ließ das Blatt sinken und studierte ihr Gesicht.
Sie nickte langsam.
Schweigend starrten sie einander an. Allmählich wechselte sein Gesichtsausdruck. Seine Brauen zogen sich zusammen, als schmerzten ihn die Augen. Gehetzt blickte er sich um, als suchte er eine Fluchtmöglichkeit. Dann wieder
Weitere Kostenlose Bücher