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Magazine of Fantasy and Science Fiction 02 - Das letzte Element

Magazine of Fantasy and Science Fiction 02 - Das letzte Element

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 02 - Das letzte Element Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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weiteres – zu einem vielsträhnig geflochtenen Zopf, zu dem wilden Muster eines konstruktivistischen Gemäldes werden ließ. Wie ein Betrunkener torkelnd, erreichte er Starlings Zimmertür und beobachtete seine Hand am Türgriff.
    Ich lehne jede Verantwortung ab. Ich weigere mich, als Mitarbeiter des Berichts über ihn zu zeichnen. Es ist alles Daventrys Schuld.
    Trotzdem öffnete er die Tür, wie er es im Verlauf der ganzen Untersuchung immer wieder getan hatte.
    Er wurde gewahr, daß er geräuschlos den Raum betrat, aber gleichzeitig hatte er das Gefühl, als stampfte er wie ein Elefant auf gebrochenem Glas. Alles war wie gewöhnlich, außer dem Summer natürlich.
    Er zog sich einen Schemel so heran, daß er von ihm aus die Lochstreifen, die aus der elektronischen Anlage kamen, überblicken konnte, und setzte sich. Bis jetzt verzeichneten sie nur den typischen Rhythmus des Frühschlafs – Starling hatte noch nicht zu träumen begonnen. Wenn er wartete, bis der erste Traum begann, und feststellte, daß alles gut verlief, würden sich die Phantome in seinem Gehirn vielleicht beruhigen und sogar ganz verschwinden.
    Das letztemal, als er Nachtdienst hatte und von den Gedanken an Starling verfolgt worden war, hatte er die meiste Zeit der langen Stunden damit verbracht, fledermausartige Figuren zu zeichnen, ihre Herzen mit der Spitze seines Bleistifts zu durchbohren, und um sie herum Kreuze und Kreuzwege zu malen; dann hatte er die Zettel mit den Löchern darin weggeworfen.
    O Gott! Es würde eine große Erleichterung sein, davon loszukommen!
    Unmittelbar danach bemerkte er zwei Dinge gleichzeitig. Das erste war die Veränderung auf den Lochstreifen, die den Beginn eines Traumes verkündete. Das zweite war, daß sich in seiner Tasche ein sehr spitzer Bleistift befand.
    Nein, kein Bleistift. Er nahm den Gegenstand heraus und sah, daß es ein Stück rauhes Holz war, ungefähr zwanzig Zentimeter lang, an jedem Ende spitz zulaufend. Weiter brauchte er nichts. Das und etwas, um es einzuschlagen. Er durchwühlte alle Taschen. Er trug einen Gummihammer zur Reflexprüfung bei sich. Natürlich würde der nicht ausreichen, aber jedenfalls ...
    Durch Zufall hatte sich Starlings Pyjamajacke vorn geöffnet. Er setzte den Holzkeil sorgfältig über dem Herzen an und schwang den Hammer.
    Der Keil drang tief ein. Ringsherum quoll Blut auf, wie eine Quelle im Schmutz, rann über Starlings Brust, hinterließ auf den Bettüchern große dunkle Flecken. Starling wachte nicht auf, sondern wurde nur noch steifer – natürlich: denn er war nicht tot und schlief nicht. Schwitzend ließ Wills den Hammer fallen und starrte auf die Folgen seiner Tat. Erleichtert beobachtete er, wie der unaufhörliche Blutstrom das Bett füllte.
    Die Tür hinter ihm ging auf. Er vernahm die katzenartigen Bewegungen Greens, dessen Stimme flüsterte: »Zimmer Nr. 11 Doktor! Ich glaube, sie –«
    Und dann erkannte Green, was mit Starling geschehen war. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, dann starrte er Wills an. Seine Lippen zuckten, aber sein Gesichtsausdruck verriet mehr als alle Worte, die er stammelte.
    »Doktor!« stieß Green endlich hervor, dann verstummte er wieder.
    Wills ignorierte ihn. Er blickte auf den Scheintoten nieder, auf das Blut, das in dem dämmrigen Raum wie Leuchtfarbe strahlte – auf seine Hände, seinen Mantel, den Boden, das Bett, es rann von den Gestellen, die auf den Lochstreifen die Spuren eines Traums ausspuckten, seine nassen Schuhe klebten am Boden.
    »Sie haben das Experiment verdorben«, sagte Daventry mit schneidender Stimme, als er das Zimmer betrat. »Nachdem ich so großzügig war, Ihnen die Mitarbeit an meinem Artikel anzubieten! Wie konnten Sie nur?«
    Heiße Scham stieg in Wills auf. Nie wieder würde er Daventry offen in die Augen sehen können.
    »Wir müssen die Polizei rufen«, befahl Daventry ernst. »Glücklicherweise sagte er immer, daß er eigentlich ein Blutspender sein sollte.«
    Vom Boden hob er eine riesige Spritze auf, wie die für einen Riesen, und nachdem er die Nadel in das Blut gehalten hatte, drückte er den Kolben – im Glas stieg die rote Flüssigkeit an.
    Und dann klick!
    Durch einen Riß in Wills umnachtetem Schädel drang eine Tatsache. Daventry befand sich in Italien. Deshalb konnte er nicht hier sein. Deshalb war er nicht hier. Deshalb –
    Wills fühlte, daß seine Augen wie eine alte, schwere Tür aufschlugen, deren Angeln tief vom Rost angefressen waren; er starrte auf Starling im Bett.

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