Magazine of Fantasy and Science Fiction 02 - Das letzte Element
Gott ihrer Wahl zu huldigen.
Die Kirche, in der sie den Gott ihrer Wahl anbeteten, stand im Zentrum des Dorfplatzes und wurde angemessenerweise die Kirche vom GOTT UNSERER WAHL genannt. Der GOTT UNSERER WAHL hatte sich schon lange vor der Abfahrt der Der Herr ist mein Hirte, mir soll's nicht mangeln gebildet und alle anderen Götter verdrängt. Eigentlich beteten ihn die Menschen schon seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts an, nur hatten sie ihm verschiedene Namen gegeben, wie etwa »Sicherheit«, »Medizinische Hilfe für die Alten«, »Pensionierungsplan«, »Föderalistische Hilfe«, »Parität«, »Zwei Autos in jeder Garage«, »Viel Geld«, »Höheres Alter«, »Dr. Spock«, und vieles andere mehr. Jetzt aber nannte man ihn einfach bei seinem richtigen Namen und schämte sich nicht im mindesten, ihm die Worte des Guten Buchs in den Mund zu legen.
Wells jedoch schämte sich deswegen. Er war jedoch einer jener unglücklichen Leute, die gerade so viel Intelligenz besitzen, den status quo zu mißbilligen, aber nicht genug, um etwas dagegen zu unternehmen. Solch ein Dilemma macht einen Mann unzweifelhaft zum Zyniker, und es war Wells Zynismus, gepaart mit seiner Unbeliebtheit bei den Frauen, der ihn in das bedrängte Lager der letzten Anhänger des Neo-Malthusianismus getrieben hatte, und es war auch hauptsächlich dieser Zynismus, der ihn dazu veranlaßte, das kleine Spiel, das er bei sich ›dem Kapitän eins auswischen‹ nannte, zu betreiben.
In gehobener Stimmung kletterte der Erste Maat daher eine Viertelstunde später die Treppe zur Kommandobrücke hinauf. Captain Ramm und der Steuermann waren gerade in eine Unterhaltung vertieft, oder, genauer gesagt, der Steuermann lauschte den Lieblingsaussprüchen eines Propagationisten. »Den Neo-Malthusianern zum Trotz sind wir keine Schafe, die ohne Sinn und Verstand auf einen Abgrund zustürzen, Mr. Niles«, sagte Captain Ramm gerade, »und die sich vormachen, daß der Abgrund einfach nicht existiert. Die Fortpflanzung ist dem Menschen mitgegeben, und es ist seine eiserne Pflicht, so viel Kinder wie möglich zu zeugen. Aus diesem Grund hat der GOTT-UNSERER-WAHL ihn auf der Erde ausgesetzt, hat er die Oberfläche der Erde grün gestaltet und sie mit guten Dingen angefüllt, damit der Mensch sie ausgraben und sie verarbeiten kann. Und im Fall, daß all die guten und nützlichen Dinge zu knapp werden und die Fruchtbarkeit der grünen Erde nachläßt, hat der GOTT-UNSERER-WAHL Alpha Centauri Drei geschaffen, auf daß der Mensch sich weiterhin fortpflanzen und ausbreiten kann ... Ja, Mr. Wells?«
»Ich habe die wahre Natur des sich nähernden Gegenstands festgestellt«, sagte Wells unterwürfig. »Sind Sie an meinen Ergebnissen interessiert, Captain?«
Captain Ramm blickte ihn einen Augenblick lang ausdruckslos an. »Oh, Sie meinen den Meteor. Also, schön – was gibt's, Mr. Wells?«
»Es ist tatsächlich ein Raumschiff, wie ich vorhin schon bemerkte – kein Meteor. Außerdem sieht es dem unseren sehr ähnlich. In wenigen Augenblicken wird es den nächsten Punkt zwischen seinem und unserem Kurs erreicht haben. Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen und zwischen Ihnen und dem anderen Kapitän ein Zusammentreffen vorbereitet. In wenigen Sekunden wird sein Gesicht auf Ihrem persönlichen Bildschirm erscheinen und Sie auf dem seinen. Die Sprachkorrelatoren werden dafür sorgen, daß die historischen Bemerkungen, die Sie beide ganz zweifellos von sich geben werden, für beide Seiten verständlich sind.« Wells reichte dem Steuermann eine Notiz. »Stellen Sie den Bildschirm auf diese Koordinaten ein, Niles.«
Niles folgte der Aufforderung. Inzwischen hatte sich die Stirn des Kapitäns umwölkt. Er war außer sich vor Wut. »Wie können Sie es wagen, über Ihre Befugnisse hinaus zu handeln, Mr. Wells!« schnautzte er. »Sie – Sie Advokat des Teufels – Sie!«
»Die kritische Lage läßt mir keine andere Wahl, Sir ... Wir haben im Moment keinen anderen Kapitän.«
Trotz der ungewöhnlichen Züge war das Gesicht, das jetzt auf dem Sichtschirm erschien, doch annähernd menschlich. Die Stirn war äußerst hoch, die Nase flach und breit. Direkt unter der Nase befand sich ein kleiner kinnloser Mund, und zu beiden Seiten der Stirn – oder war es die Nase, denn man konnte schwer feststellen, wo das eine anfing und das andere aufhörte – glotzte ein kugelrundes Auge auf sie. Die Ohren waren äußerst spitz und wuchsen weit oben aus dem Kopf; dazwischen thronte ein
Weitere Kostenlose Bücher