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Magazine of Fantasy and Science Fiction 04 - Signale vom Pluto

Magazine of Fantasy and Science Fiction 04 - Signale vom Pluto

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 04 - Signale vom Pluto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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benötigte fünf Sekunden Beschleunigung von einem Viertel g, um sie zu korrigieren – und der Treibstoff war sowieso schon knapp genug.
    Die Kurskorrektur hatte die Wirkung, daß die Passagiere, die bemerkten, daß das Schiff mit Antrieb lief, wieder Interesse zu zeigen begannen. Herdman nutzte diese Stimmung sofort aus und erklärte ihnen die Landung mit allen ihren Erscheinungen, wie er bei minus achtzehn Stunden die letzte Generalüberprüfung vornehmen und alle in Raumanzüge stecken würde. Sie mußten so lange wie möglich die Schiffsluft atmen. Bei minus drei Stunden würde er die Helme fest verschließen. Dann würde er alle noch verfügbare Feuchtigkeit in den Tank leiten und die restlichen beweglichen Stücke abwerfen. Wegen der Nahrungs- und Treibstoffverhältnisse konnten sie keinen Moment länger als notwendig in der Atmosphäre bleiben, sondern mußten geradewegs nach unten stoßen.
    Die ganze Zeit sprach er laut und mit beruhigender Stimme, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auf dem Mars ankamen und für sie gesorgt würde.
    Er wollte, daß sie so glücklich wie möglich starben. Soviel glaubte er ihnen wenigstens zu schulden.
    Nach den sich mühsam dahinschleppenden Wochen schien die Zeit jetzt plötzlich davonzujagen. Immer wieder und wieder übte er die Handgriffe der Landungsmanöver, aber von Mal zu Mal kamen ihm seine Reaktionen langsamer vor. Forsythe hatte gesagt, daß der Mensch die anpassungsfähigste Maschine sei, aber Herdman kam es vor, als wäre ihm diese Eigenschaft durch sein jahrelanges Training verlorengegangen. Er war einem einzigen Raumschiff angepaßt worden. Das, was die Psychologen mit ihm angestellt hatten, waren unterbewußte Eingriffe und ließen sich durch logische Gedanken nicht beeinflussen. Er versuchte sich dazu zu zwingen, mit einem Schiff zu verschmelzen, das nicht zu ihm gehörte, und er hatte dabei das Gefühl, daß das Schiff ihn des wegen haßte, genauso wie es ihm selbst verabscheuungswürdig erschien. Aber er mußte sich nun einmal mit diesem kalten, feindlichen Körper vertraut machen, denn in wenigen Stunden mußte er ihn dazu bringen, zu tun, was er verlangte.
    Die letzte große Überprüfung vor der Landung dauerte länger, als er geschätzt hatte. Er fühlte sich sehr schwach und kam nur langsam voran. Es war schon minus vierzehn Stunden, als er die Passagiere in die Raumanzüge steckte. Dabei entdeckte er, daß er die Stulphandschuhe noch nicht verschließen konnte; die Fingernägel der Männer waren so lange gewachsen, daß sie nicht hineinpaßten. Erst mußte er sie abschneiden und sie dann später, zusammen mit den Helmen, verschließen.
    Ganz plötzlich fühlte sich Herdman von diesen zerbrechlichen, vertrockneten, furchtbar ausgemergelten Körpern und den leeren, starren Augen angewidert – sie schienen schon zu weit verfallen zu sein, um noch Hoffnung, Furcht oder selbst Hunger zu verspüren. Aber er hatte viel schlimmere Dinge für sie verrichten müssen, als ihnen die Nägel zu schneiden. Seine Abneigung ging in Zorn und dann in ein Schuldgefühl über. Es war nicht fair, daß er sie nicht darüber aufgeklärt hatte, was mit ihnen geschehen würde. Er hätte es ihnen schon lange sagen müssen. Er hätte darauf bestehen müssen, daß sie ihm zuhörten und begriffen. Jetzt hatte er schon zu viel Schuld auf sich geladen. Er mußte sich der Schuld entledigen, mußte mit jemandem darüber sprechen, nur und Vergebung zu erbitten.
    Er schüttelte Forsythes Raumanzug und fühlte, wie sich der Körper des Arztes darin leicht hin- und herbewegte. Leise und eindringlich sprach er auf ihn ein. Er wußte nicht, was er sagte, er wußte nur, daß alles, was ihn bedrückte – seine Schuld, seine Hilflosigkeit und die Unfähigkeit an der Steuerung –, wie ein Sturzbach aus ihm heraussprudelte. Erst nach einer langen Zeit hielt er inne, weil der Arzt ihm zu verstehen gab, daß er etwas sagen wollte.
    Er legte das Ohr dicht an Forsythes Lippen und fragte: »Was wollen Sie sagen, Doktor?«
    »Vielleicht ... packen Sie ... die Sache ... am falschen Ende an«, flüsterte Forsythe mit fiebriger, müder Stimme. Der Rest war verwischt und unverständlich.
    »Wie bitte?«
    Der Arzt nahm noch einmal alle Kraft zusammen, um Gewalt über seinen Atem und die Zunge zu bekommen. »Anpassen«, flüsterte er schwach. »Aber ... Anpassen ... Anpassung geht nach zwei Seiten ...«
    Danach brachte er nichts Zusammenhängendes mehr heraus. Aber er hatte genug gesagt.

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