Magazine of Fantasy and Science Fiction 12 - Die letzte Stadt der Erde
und er handelte auch nicht unüberlegt. Er wußte genau, was er tat. Er handelte gegen das bestehende Gesetz, aber er war davon überzeugt, daß dieses Gesetz längst überholt war. Ihm brauchte niemand zu erzählen, daß die Stadt starb. Ein Blinder hätte das sehen müssen. Und Earl wußte auch, warum die Stadt starb. Ihr fehlte frisches Blut.
Er war ausgezogen, um es zu holen.
Natürlich war er kein Held, auch das wußte er. Er tat es nicht für die Stadt allein. Er tat es in erster Linie für sich. Er tat es, weil es ihm Freude bereitete, hier draußen zu sein. Immerhin fühlte er sich im Recht. Außerdem brachte es noch Geld ein. Er hatte Geld genug, aber nur ein Narr dachte nicht daran, sein Kapital ständig zu vermehren. Und das Leben in der Stadt war teuer, wenn man einen so ausgefallenen Geschmack hatte wie er.
Als er das Ufer des Flusses erreichte, kletterte die Sonne im Osten gerade über den Horizont. Sie war ein großer, roter Ball und warf lange Schatten. Irgendwo begannen Vögel zu singen. Rechts, in geringer Entfernung, war im Gras eine Bewegung. Ein Tier schlich sich davon. Das Wasser des Flusses war niedrig und klar. Deutlich waren die Schatten der hin und her huschenden Fische zu erkennen.
Earl zögerte keine Sekunde. Er wollte keine Zeit mehr verlieren. Wenn die Mütter Gelegenheit erhielten, über das Unternehmen nachzudenken, würden sie den Fluß nicht überschreiten. Das Wasser war kalt und reichte kaum bis zum Knie.
Jetzt konnte Earl auch die Felsen besser sehen. Sie lagen im Schein der aufgehenden Sonne, und die Höhlen waren schwarze Löcher, wie Augen.
Earl konnte keine Bewegung dort entdecken.
Die Sonne stand nun in ihrem Rücken, und es würde schwer sein, sie zu entdecken. Alle Männer, die Earl heute begleiteten, waren schon einmal hier draußen gewesen. Sie wußten genau, was sie zu tun hatten.
Wenn nur die Frauen ...
Eines der Mädchen schrie plötzlich auf. Nicht sehr lange, denn ein Mann packte sie und hielt ihr den Mund zu. Aber der Schrei war laut genug gewesen ...
Earl wirbelte um seine Achse – und sah ihn.
Ein Mann, halbnackt und mit langen, schwarzen Haaren, rannte durch das Gras, auf die Höhlen zu. Außer einem Fischspeer trug er nichts in der Hand. Schon öffnete er den Mund, um einen Warnschrei auszustoßen ...
Earl erschoß ihn.
Der Schuß hallte von den Felsen wider.
»In Deckung!« befahl Earl.
Er selbst kroch auf allen vieren zurück zu der Stelle, an der das Mädchen war. Sie wurde immer noch festgehalten. Ihre Augen waren vor Schreck weit offen, und sie zitterte am ganzen Körper. Earl setzte ihr den Lauf seines Gewehrs auf die Brust.
»Du brauchst keine Angst mehr zu haben, denn er ist tot. Aber wenn du das noch einmal machst, bist du auch tot. Hast du das verstanden?«
Sie nickte stumm.
»Ob du verstanden hast, will ich wissen?«
»Ja, ich habe verstanden.«
Er nahm das Gewehr fort.
»Gut. Aber vergiß es nicht. Beherrsche dich! Ich weiß, es ist schlimm, wenn man zum erstenmal einen Wilden sieht, aber man gewöhnt sich daran. Und wenn der Kampf erst einmal ausgebrochen ist, dann kannst du schreien, soviel du willst. Jetzt aber halte den Mund.«
Sie blickte ihn an.
»Es tut mir leid, aber er sah furchtbar aus ...«
»Gegen die anderen sah er noch gut aus«, sagte Earl lächelnd.
Er kroch wieder nach vorn, bis er neben Doc lag. Bei den Felsen war keine Veränderung zu bemerken. Immer noch erinnerten die Höhleneingänge an Augenlöcher, schwarz und dunkel. Von Leben keine Spur.
»Nun?« fragte Doc. »Was machen wir jetzt?«
»Glaubst du, daß sie uns gehört haben?«
»Keine Ahnung.«
»Der Wind steht günstig; er kommt von den Höhlen. Vielleicht schlafen sie noch. Kann auch sein, daß dieser Stamm noch niemals einen Gewehrschuß hörte. In dieser Gegend bin ich noch nie gewesen.«
»Du bist der Führer der Expedition. Die Entscheidungen sind damit dir überlassen.«
Das war nicht so einfach. Ein Fehler konnte sich sehr unangenehm auswirken. Die Sonne war inzwischen höher gestiegen; es wurde heller.
»Ich liebe es nicht, zu große Risiken einzugehen«, sagte Earl endlich. »Wenn sie den Schuß hörten, holen wir uns blutige Köpfe beim Eindringen in die Höhlen. Dieses verfluchte Weib hat uns in eine fatale Lage gebracht.«
»Vergiß nicht den an Schlaflosigkeit leidenden Fischer. Wäre er nicht am Fluß gewesen ...«
»Er war aber da! Daran ist nichts zu ändern. Wenn wir überhaupt etwas ändern können, dann unseren
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