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Magazine of Fantasy and Science Fiction 15 - Die Mauzlwürfe von Manhattan

Magazine of Fantasy and Science Fiction 15 - Die Mauzlwürfe von Manhattan

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 15 - Die Mauzlwürfe von Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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daß die Nordstaaten gesiegt haben.«
    »Ja«, meinte der Arzt, »ich kann mir vorstellen, was Sie damit sagen wollen. Sie assoziieren sich mit einem Soldaten der Südstaatenarmee, der unterlegen ist. Glauben Sie, daß es sich dabei um die Projektion geschäftlicher oder privater Mißerfolge handeln könnte? Haben Sie in den letzten acht Wochen bei häuslichen Streitigkeiten oft nicht das letzte Wort gehabt?«
    »Ich kann mich nicht entsinnen; Mary und ich streiten uns eigentlich nie. Aber Sie haben mich nicht ganz verstanden, Doc. In diesen Träumen bin ich kein verabschiedeter Soldat der Südstaatenarmee. Das klingt wahrscheinlich seltsam, nehme ich an«, stotterte Walter und spielte wie zuvor mit dem Füllfederhalter, um seine Nervosität nicht deutlich werden zu lassen.
    »Sie sind also kein ehemaliger Soldat, sondern ein Mann, der mit dem Süden sympathisiert?«
    »Ich bin John Wilkes Booth.«
    Er machte eine kurze Pause, um zu sehen, ob der Arzt entsetzt nach Luft ringen würde; dann sprach er enttäuscht weiter. »Ich glaube selbst nicht recht daran, aber ich lebe hier«, er wies aus dem Fenster auf die Wolkenkratzer von St. Louis, »als Walter Bird, von Beruf Vertreter für Installationsmaterial, zwei Jahre verheiratet, meine Frau erwartet ein Kind. Das Verrückte dabei ist, daß ich weiß, daß ich auch als John Wilkes Booth im April des Jahres 1865 lebe und morgen abend Präsident Lincoln erschießen werde.«
    Walter starrte Dr. Altstetter hilfeflehend an, und der Arzt suchte einen Augenblick in seiner Schreibtischschublade, bevor er die kleine Pappschachtel gefunden hatte.
    »Das hier sind ausgezeichnete Beruhigungspillen«, erklärte er, während er Walter die Schachtel über den Tisch reichte. »Wenn Sie heute abend zwei davon nehmen, schlafen Sie bestimmt ausgezeichnet. Paßt es Ihnen, wenn ich Sie für morgen um sechzehn Uhr dreißig vormerke?«
    Der Vorschlag wurde dankend akzeptiert. An diesem Abend nahm Walter zwei Pillen, bevor er zu Bett ging.
     
    Er saß auf dem knarrenden Bett und spürte, daß die ausgeleierten Federn nachgaben, als er die Hände gegen die Matratze stützte. Dann fuhr er sich mit den Fingern durch das unordentliche Haar und betastete vorsichtig den schmerzenden Schädel. Offenbar hatte er wieder einmal zuviel getrunken ... Kein Wunder, daß John Wilkes Booth auf diese naheliegende Idee kam, denn schließlich hatte er noch nie etwas von dem Kater gehört, den man von Beruhigungspillen bekommen kann.
    Er zog sich das lange Nachthemd über den Kopf, knotete den Gürtel des seidenen Morgenrocks zu und goß Wasser aus der Zinnkanne in die zerbeulte Emailleschüssel auf dem Waschtisch.
    Während Booth sich wusch und rasierte, erinnerte ihn das Klirren von Geschirr daran, daß Mrs. Frazer sich nur freuen würde, wenn er das Mittagessen ausfallen ließ, das für die meisten seiner Schauspielerfreunde das Frühstück ersetzen mußte. In der kleinen Pension, die nicht weit vom Theater entfernt lag, gab es nie genügend zu essen, was allerdings in der augenblicklichen Inflationszeit nicht weiter verwunderlich war.
    Morgen , dachte er, wird alles anders sein.
    Als er den frischgestärkten Kragen zuknöpfte und die graue Seidenkrawatte zu einem eleganten Knoten schlang, beugte er sich leicht nach vorn, um sein Gesicht in dem ovalen Spiegel besser sehen zu können.
    Morgen , dachte er, hast du das berühmteste Gesicht Amerikas . Er kämmte sich sorgfältig und rieb seinen Schnurrbart mit Bienenwachs ein, bevor er ihn so zwirbelte, daß die Spitzen nadelscharf ausliefen, wie es augenblicklich große Mode war.
    Er würde sich die Pistole verschaffen, sich mit Scott und den anderen in der Arztpraxis treffen und sie erst nach der Tat wiedersehen, überlegte er. Bisher hatte er immer einen Augenblick der Unentschlossenheit oder gar Angst gefürchtet, aber nachdem jetzt der entscheidende Tag gekommen war, fühlte er sich seltsam teilnahmslos und zufrieden.
    Die Krawattennadel mit der großen Perle entglitt seinen Fingern, als er vor dem Spiegel eine großartige Handbewegung übte, und rollte unter die Kommode, unter der ein nie benutzter Nachttopf seinen Platz gefunden hatte. Er kniete nieder, wobei er sorgfältig auf die Bügelfalte in den engen fliederfarbenen Hosen achtete, und tastete am Boden nach der Nadel umher.
    »Tod und Teufel!«
    Er zog sich den Splitter heraus, der unter den Nagel des Zeigefingers geraten war, und steckte den Finger in den Mund. Dann holte er die Nadel unter der

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