Magazine of Fantasy and Science Fiction 15 - Die Mauzlwürfe von Manhattan
weiteres in seine Westentasche, während der Dolch und der Pistolenkasten ohne weitere Umstände in den weiten Taschen seines Mantels verstaut wurden.
Als der Kunde zur Tür ging, bemerkte der Pfandleiher: »Mister Booth, ich habe Ihren Bruder letzten Samstag in Julius Cäsar gesehen. Ob Sie es glauben oder nicht«, fügte er in gemütlichem Plauderton hinzu, nachdem der geschäftliche Teil vorüber war, »aber ich kann mich noch an eine Vorstellung mit Ihrem Herrn Vater erinnern – das muß im Jahre sechsundvierzig oder so ähnlich gewesen sein. Ich kann Ihnen sagen, es wird nicht so bald einen zweiten Schauspieler geben, der den Brutus so gut wie Junius Brutus Booth spielt! Aber Ihr Bruder Edward hat ihn auch gut gespielt«, fügte der Alte rasch hinzu, um einen so guten Kunden nicht zu verstimmen.
Booth, der bereits an der Tür stand, warf sich in eine dramatische Pose. »Heute abend werde ich Brutus spielen, wie Brutus noch nie zuvor gespielt worden ist!« Dann war er verschwunden.
»Und dann wachte ich auf«, schloß Walter Bird unsicher. Er betastete den Zeigefinger seiner rechten Hand, während er sprach. Der Psychoanalytiker schlug eine neue Seite in seinem Notizbuch auf und schrieb einige Worte.
»Und Ihr Finger? Wissen Sie ganz bestimmt, daß Sie sich nicht verletzt haben, bevor Sie zu Bett gingen?« Walter richtete sich auf der Couch auf und streckte den Finger aus. Er war sichtbar angeschwollen, obwohl keine Verletzung zu erkennen war.
»Während des Traums ist ein Holzsplitter daruntergeraten, wie ich Ihnen schon erzählt habe. Es ist schon schlimm genug, daß ich jedesmal einen Kater habe, aber wenn ich auch noch seine Schmerzen mit ihm teilen muß ...« Er bewegte seinen Füllfederhalter rasch zwischen Zeigefinger und Daumen auf und ab, während er über dieses Problem nachdachte.
»Richtig, genau das ist es! Mir war nach den Pillen ganz komisch, als er ich ... als ich er war ...« Walter holte tief Luft und nahm einen neuen Anlauf. »Ich wollte damit sagen«, erklärte er dann, »daß die Verbindung nicht nur geistig existiert. Darf ich einen Blick in Ihr Lexikon werfen, Doc?«
Walter blätterte hastig in dem Nachschlagewerk herum.
»Bartholomäus ... Beflaggung ... Blastogenese ... Bombarde ... Bootes ... Booth, Edwin ... Booth, John Wilkes!« Ein einziger Absatz befaßte sich mit John Wilkes Booth. Walter las ihn schweigend durch und begann dann nochmals von vorn.
BOOTH, JOHN WILKES (1839–1865), amerikanischer Schauspieler, geb. 1839 in Bel Air, Maryland, als zweiter Sohn des englischen Schauspielers Junius Brutus Booth und jüngerer Bruder von Edwin Thomas Booth, der ebenfalls als Schauspieler bekannt war. B. ließ sich in eine Verschwörung zur Entführung des Präsidenten Lincoln ein, die allerdings mißlang, und ermordete dann den Präsidenten am Abend des 14. April 1865, als dieser im Ford's Theatre einer Vorstellung in seiner Loge beiwohnte. B. schlich sich heimlich in die Loge und brachte dem Präsidenten einen Kopfschuß bei, woraufhin er einen Dolch schwang, auf die Bühne sprang und in der allgemeinen Verwirrung entkam. Mit Hilfe eines Mitverschworenen gelangte er bis Garrit's Farm bei Bowling Green, Virginia, wo er in einer Scheune von einem Detachement Kavallerie am 26. April entdeckt und, da er sich nicht ergab, erschossen wurde.
Walter Birds Hände zitterten, als er den Band auf den Tisch legte. »Sie werden ihn wie einen Hasen abknallen, wenn sie ihn erwischen, Doc. Und was wird dann aus mir? Ich möchte nicht, daß er heute abend Lincoln ermordet. Gestern habe ich mir ein Taschenbuch über ihn gekauft und ein bißchen darin gelesen. Der Mann war wirklich nicht schlecht, Doc, jedenfalls kannte er eine Menge Witze.«
Dr. Altstetter nickte. »Wäre Lincoln nicht ermordet worden, hätte er vermutlich die radikalen Yankees davon abgehalten, die Südstaaten nach dem Krieg auszuplündern. Johnson trat ihnen nicht energisch genug entgegen, während Grant völlig unbrauchbar war, weil seine gesamte Regierung sich bestechen ließ. John Wilkes Booth hat dem Süden mehr geschadet als Sherman und Grant gemeinsam. Offenbar war er wirklich davon überzeugt, daß die Massen ihn jubelnd als ihren Retter begrüßen und auf den Schultern durch die Straßen tragen würden. Hätte er nur gewußt, hätte er geahnt, was er damit anrichten würde ...«
Walter Bird fragte zögernd: »Glauben Sie, daß ich ihn ... ich meine, daß ich ihn von seinem Vorhaben abbringen könnte?« Er
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