Magazine of Fantasy and Science Fiction 20 - Mord in der Raumstation
Bürger sei verpflichtet, sich Untersuchungen dieser Art zu unterziehen – selbst heutzutage nicht, obwohl die Ergebnisse absolut zuverlässig sind und die Verdächtigen wissen, daß sie bestimmte Fragen ausschließen können, ohne daß ihnen daraus Nachteile entstehen. Den Grund für meine Weigerung können Sie sich denken. Sobald man sich mit dem Prinzip einverstanden erklärt, muß man die Selbstbezichtigung zum Ideal erheben – ja, Sir, ich bin zehn Kilometer schneller als erlaubt gefahren. Verbrechen müssen bewiesen werden, das ist die einzig richtige Methode.«
»Aber Sie waren doch einverstanden, Sie haben sich sogar freiwillig gemeldet ...«
»Damals handelte es sich nur darum, ein möglichst genaues Bild der letzten Stunden und Minuten in Johns Leben zu bekommen. Weitere Nachforschungen wären schwierig gewesen – das habe ich auch Bob gesagt. Wir hätten praktisch zugegeben, daß wir wußten, in welchen Verdacht wir geraten waren ...« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Ich hätte nur immer wieder meine Unschuld beteuern können – hysterisch, verzweifelt, in Tränen aufgelöst: Ich war es nicht, ich war es nicht!«
»Darüber gibt es verschiedene Ansichten«, warf ich ein.
»Selbstverständlich. Ich kann allerdings nur meine wiedergeben.«
»Sie haben vorhin erwähnt – ›das habe ich auch Bob gesagt.‹ Soll das heißen, daß Bob nur Ihretwegen darauf verzichtet hat, weitere Fragen zu beantworten?«
»Vermutlich.«
»Miß Robertson«, fragte ich, »wie kommen Sie mit Bob aus?«
Das ›Miß Robertson‹ war beabsichtigt, und ich stellte fest, daß es seine Wirkung nicht verfehlte. Ich hatte sie Lucy genannt, und sie hatte reagiert, und ich bewies ihr nun, daß mir ihre Reaktion aufgefallen war.
»Wir sind Freunde«, antwortete sie. »Da Sie bei Ihren Nachforschungen ohnehin darauf stoßen werden, sage ich es besser gleich – er war mein Liebhaber. Mein erster und einziger Liebhaber. Damals war ich noch achtzehn und bildete mir ein, jedes Mädchen in meinem Alter müsse bereits etwas erlebt haben.«
»Waren Sie enttäuscht?«
»Ja. Liebe ist wichtiger als Sex. Bei unserem Verhältnis spielte die Liebe keine große Rolle. Ist Ihre Frage damit beantwortet?«
»Völlig«, erwiderte ich. »Vielen Dank, Lucy.«
Da Bob in dieser Affäre offenbar eine wichtige Rolle spielte, suchte ich zunächst seine Freundin auf.
Der Kommandant hatte sie richtig eingeschätzt. Als ich an die Tür ihrer Kabine klopfte, lag sie in Hosen auf der Couch und las eine Illustrierte; kaum war ich jedoch eingetreten, erinnerte sie sich plötzlich daran, daß sie mit Bob ins Kino gehen wollte. Folglich war nicht zu vermeiden, daß sie sich umzog und zurechtmachte – mehr oder weniger in meiner Gegenwart.
Dabei gab sie eine der enthüllendsten Vorstellungen – nicht nur im eigentlichen Sinn des Wortes –, die ich je erlebt hatte. Eigentlich gab es keinen Grund, weshalb sie sich nicht in ihrem Schlafzimmer hätte umziehen sollen; wir hätten uns durch die offene Tür hindurch ausgezeichnet unterhalten können. Aber obwohl sie etwas Ähnliches im Sinn gehabt haben mußte, kam sie noch zweimal zurück, um eine Zigarette und dann ihr Feuerzeug zu holen, ließ sich von mir verschiedene Reißverschlüsse und Haken öffnen oder schließen und schien nicht imstande zu sein, irgend etwas selbst zu tun. Ich durfte natürlich nicht hinsehen, aber wenn ich es wirklich tat, brachte sie mich trotzdem irgendwie dazu.
Was sie mir erzählen konnte, half mir nicht im geringsten weiter. Ihre zusammenhanglosen Bemerkungen waren manchmal so kindlich, daß sie mich an die sechsjährige Tochter eines Kollegen erinnerte, den ich einmal besucht hatte. Die Kleine und ihr Bruder hatten in der Nähe die völlig überwachsenen Fundamente eines alten Hauses entdeckt und sofort beschlossen, diesen Fund vor ihrer älteren Schwester geheimzuhalten. Als die Ältere wenig später hereinkam, erzählten sie ihr beide von einem Geheimnis, für das sie sich keineswegs interessierte, und die Jüngste fügte als Nachsatz hinzu: »Es ist aber kein Haus!«
Shirley konnte Tatsachen ebenso wenig wie ihren Nabel verbergen. Ihre Naivität war nicht gespielt, sondern durch und durch echt.
Die beiden in den Fall verwickelten Mädchen waren sich in einer Beziehung merkwürdig ähnlich – sie waren beide ausgesprochen hübsch. Aber in jeder anderen Beziehung konnte man sich keinen größeren Gegensatz denken.
Lucy war schlicht, fast streng, an der
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