Magazine of Fantasy and Science Fiction 20 - Mord in der Raumstation
Oberfläche kalt, niemals herausfordernd und eher abweisend – aber wenn ich mich nicht sehr täuschte, war sie zu echten Gefühlsregungen fähig, die sie mühsam unter Kontrolle halten mußte, um nicht von ihnen fortgerissen zu werden.
Shirley spielte die Rolle der männermordenden Sirene mit Begeisterung, aber ohne große Überzeugungskraft. Sie versuchte sich selbst davon zu überzeugen, sie sei eine moderne Liebesgöttin. Zumindest ihre Figur entsprach allen Anforderungen dieser Rolle, und kein Mann, der sich länger als fünf Minuten in ihrer Gegenwart aufhielt, konnte anschließend noch daran zweifeln. Aber in ihrem Innern brannte kein leidenschaftliches Feuer, sondern nur eine lächerliche Imitation, wie man sie oft in Kaminen ohne Schornstein sieht.
Shirley schied also aus. Sie hätte ebensogut gar nicht existieren können. Nach einer halben Stunde in ihrer Gesellschaft fragte ich mich sogar fast ernsthaft, ob sie überhaupt wirklich vorhanden sei.
Aber sie konnte mir noch eine Auskunft geben, die ich bisher nicht erhalten hatte. Ich fragte danach.
Sie kicherte. Sie trat dicht an mich heran. Sie fiel mir fast um den Hals. »Sie kommen doch nicht etwa auf komische Ideen?« schnurrte sie.
Ich widerstand allen Versuchungen und antwortete einfach: »Nein.« Ihr Parfüm sollte betäubend wirken, verursachte aber bestenfalls Kopfschmerzen.
»Niemand riecht wie Lucy«, sagte Shirley. »Gott sei Dank, rieche ich wenigstens anders ... Wenn sie auf eine Party geht, weiß sie genau, daß sie immer noch diesen Karbolgeruch an sich hat, und übertönt ihn deshalb mit Unmengen Parfüm – aber mit einer scheußlichen Sorte. Als ich nach John, Bob und ihr suchte, brauchte ich nur meiner Nase nachzugehen.«
Ich genoß die Drei Docs etwa auf gleiche Weise, wie man zehn Fahrten im Kettenkarussell genießt. Ich erwischte sie gerade noch rechtzeitig, bevor sie zu den gewohnten abendlichen Vergnügungen aufbrachen, die sich leicht beschreiben ließen: ausgehen, sich die Nase begießen, irgend etwas anstellen und ein Mädchen auftreiben.
Offenbar waren alle vier Tätigkeiten gleich einfach. In der Station irgendwo auszugehen, war bestimmt nicht schwierig, denn hier gab es Dutzende von Vergnügungsstätten: Kinos, ein Theater, Musikklubs, Varietés, Diskotheken, Bars, ein Spielkasino (allerdings mit beschränkten Einsätzen) und das Lokal am Schwimmbecken. Sich zu betrinken, war ebenfalls kinderleicht; dazu braucht man weder Talent noch Erfahrung und praktisch keinerlei Intelligenz. Etwas anzustellen, war etwas schwieriger, denn der Trick dabei bestand daraus, daß man es so anfangen mußte, daß man nicht die Nacht in der Arrestzelle verbrachte und am nächsten Morgen vor dem Richter erscheinen mußte, anstatt eine interessante Operation durchzuführen. Und Mädchen ließen sich ebenfalls finden. Nervosität und Gehemmtheit waren die größten Hindernisse, und die Drei Docs wirkten weder nervös noch irgendwie gehemmt.
Von den drei jungen Männern blieb schon nach kurzer Zeit für meine Zwecke nur Stew Jones übrig – es sei denn, der Fall war erheblich komplizierter und langwieriger, als ich jetzt noch annahm.
Jack Lodge zog mich in eine stille Ecke und erzählte mir dort von Mann zu Mann, er habe eigentlich ein Alibi, aber das betroffene Mädchen – oder vielmehr die betroffene Frau –, wolle nach Möglichkeit vermeiden, daß ihr Name genannt werde. Er selbst schien sich nichts daraus zu machen, respektierte aber den Wunsch der Dame. Sollte es jedoch erforderlich werden, daß er mir gegenüber unter vier Augen sein Alibi bewies, war er jederzeit dazu bereit und imstande.
Jinny wisse, um welche Frau es sich handle, behauptete er sogar. Jinny war bis in den gemeinsamen Wohnraum, aber keinen Schritt weiter gegangen. In seiner Enttäuschung hatte Jack jene andere Frau angerufen, als Jinny noch neben ihm stand. Überraschenderweise war sie tatsächlich gekommen, bevor Jinny den Raum verließ.
Seine Geschichte war kompliziert und unwahrscheinlich – aber bestimmt wahr.
Dod Stirling schied meiner Meinung nach ebenfalls als Täter aus, denn er war nicht der Typ eines kaltblütigen Mörders und gehörte zu den wenigen Männern der Station, mit denen John Hogg nie Streit gehabt hatte. Allerdings erinnerte er mich an Jekyll und Hyde: In betrunkenem Zustand war er zu allem fähig. Zum Glück stand jedoch sicher fest, daß er nicht betrunken gewesen war. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er nach den Ereignissen der
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