Magazine of Fantasy and Science Fiction 21 - Flucht in die Vergangenheit
Theorie, die von einem Stoiker stammen könnte. Ich werde meinem Volk einige dieser Erkenntnisse zugänglich machen ... Aber sagen Sie mir nur: Wie läßt sich dieser wissenschaftliche Fatalismus mit dem freien Willen vereinbaren, den ich meinem Volk geben will?«
Nun, der alte Knabe hatte mich damit in die Enge getrieben. Ich grinste, räusperte mich, um Zeit zu gewinnen, und sagte dann: »Die Antwort ist doch offensichtlich!« Das ist immer eine gute Antwort, mit der niemand etwas anfangen kann.
»Das bezweifle ich nicht«, sagte er. »Aber ich erkenne sie nicht.«
»Hören Sie«, antwortete ich, »ist dieser freie Wille, den Sie Ihrem Volk geben, nicht auch eine Art Fatalität?«
»Das könnte man glauben, aber der Unterschied besteht in ...«
»Noch etwas«, fügte ich hastig hinzu. »Seit wann sind freier Wille und Fatalismus unvereinbar?«
»Das sind Sie meiner Meinung nach unbedingt«, erwiderte er.
»Und das kommt daher, weil Sie nichts von Wissenschaft verstehen«, sagte ich und vertauschte die Argumente unter seiner Hakennase. »Sie müssen wissen, werter Herr, daß der Zufall wissenschaftlich gesehen überall eine Rolle spielt. Sie haben bestimmt schon davon gehört, daß der Zufall die mathematische Entsprechung des freien Willens ist.«
»Aber was Sie sagen, widerspricht sich doch!« protestierte er.
»Richtig«, bestätigte ich. »Der Widerspruch in allen Dingen gehört ebenfalls zu den Naturgesetzen des Universums. Widerspruch ruft Behauptungswillen hervor, ohne den eine allgemeine Entropie einsetzen würde. Wir sind also auf diese scheinbar unveränderliche Widersprüchlichkeit angewiesen.«
»Scheinbar?« fragte er sofort.
»Selbstverständlich«, antwortete ich. »Widersprüchlichkeit, die man provisorisch als die Existenz wirklichkeitsgepaarter Gegensätze bezeichnen könnte, ist keineswegs der Schlußpunkt dieser Entwicklung. Nehmen wir zum Beispiel eine einzelne Tendenz. Was passiert, wenn sie ihre äußerste Grenze erreicht?«
»Keine Ahnung«, murmelte der Alte. »Die unklaren Definitionen in unserer ...«
»Die Tendenz«, fuhr ich fort, »verwandelt sich ins Gegenteil .«
»Wirklich?« fragte er verblüfft. Diese religiös veranlagten Kerle haben wirklich keine Ahnung, wenn es um wissenschaftliche Dinge geht.
»Wirklich!« antwortete ich. »Ich kann Ihnen alles beweisen, obwohl der Versuch etwas umständlich und ...«
»Nein, nein«, wehrte der alte Knabe ab. »Ich glaube es Ihnen auch so. Schließlich haben wir einen Bund geschlossen.«
Diesen Ausdruck benützte er immer, anstatt Vertrag zu sagen. Er bedeutete nichts anderes, klang jedoch besser.
»Gepaarte Gegensätze«, murmelte er nachdenklich. »Determinismus. Dinge, die sich ins Gegenteil verwandeln. Das ist alles ziemlich kompliziert, fürchte ich.«
»Und ästhetisch dazu«, warf ich ein. »Aber ich bin noch nicht fertig mit der Transformation von Extremen.«
»Weiter, bitte«, forderte er mich auf.
»Danke. Wir kennen also den Begriff der Entropie, die nichts anderes bedeutet, als daß alle Dinge ihre Bewegung beibehalten, wenn sie nicht von draußen beeinflußt werden. Wird jedoch ein Ding in Richtung auf sein Gegenteil getrieben, werden alle in die gleiche Richtung getrieben, denn die Wissenschaft kennt keine Ausnahmen. Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Alle diese Gegensätze verwandeln sich wieder ins Gegenteil. Auf der nächsten Stufe sieht es ähnlich aus. Und so weiter, und so weiter. Einverstanden?«
»Gut, meinetwegen«, sagte der alte Knabe.
»Ausgezeichnet. Nun erhebt sich natürlich die Frage: Ist das alles? Könnte es denn nicht mehr geben als diese Gegensätze, die sich ineinander verwandeln? Und es gibt tatsächlich mehr! Die Transformation von Gegensätzen ist nur ein Aspekt der ganzen Sache.« Ich machte eine Pause und sprach mit tiefer Stimme weiter. »Denn es gibt eine Weisheit, die durch den Aufruhr und die Wildnis der Welten sieht. Diese Weisheit, Sir, durchschaut die illusorischen Eigenschaften der realen Dinge und erkennt in ihnen den eigentlichen Aufbau des Universums, der sich als große und wunderbare Harmonie darstellt.«
»Wie kann etwas gleichzeitig illusorisch und real sein?« fragte er sofort.
»Darauf weiß ich keine Antwort«, erklärte ich ihm. »Ich bin nur ein bescheidener Wissenschaftler und richte mich danach, was ich sehe. Aber vielleicht ist das aus ethischen Gründen so.«
Der alte Knabe dachte eine Weile darüber nach, und ich merkte, daß er mit sich selbst
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