Magazine of Fantasy and Science Fiction 22 - Im Angesicht der Sonne
Jahren den berühmt-berüchtigten Stereofilm ›Der Rattenklan‹ gedreht. Angeblich handelte es sich bei diesem Klan um ein reines Phantasieprodukt, aber das Publikum hatte trotzdem einige Vermutungen. Die meisten waren davon überzeugt, daß es sich hier nicht um Ratten, sondern um die Ameisen selbst handelte. Ein Gerücht besagte sogar, der Regisseur sei aus seinem Klan ausgestoßen worden; dieses Gerücht war nie offiziell bestätigt oder dementiert worden. Die Ameisen hatten sich nie zur Person dieses Ray Donovan geäußert, so daß niemand wußte, wie er eigentlich aussah.
Der Mann neben Philip konnte natürlich ein Schwindler sein. Aber Bleckendorf war zu gerissen, um sich so hereinlegen zu lassen – es sei denn, er hätte die Sache selbst arrangiert, was unwahrscheinlich war. George besaß einen seltsamen Sinn für Humor, aber er beherrschte sich auf Parties, die seine Frau gab.
»Arbeiten Sie an einem neuen Projekt?« erkundigte Philip sich höflich.
»Erraten«, sagte Donovan. »Dagegen ist der andere Film ein Kinderspiel.«
»Wieder das gleiche Thema?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Wenn Donovan ein Thema bearbeitet hat, ist es erschöpft. Restlos fertig. Ich kann mir keinen Klan vorstellen, mit dem ich mich beschäftigen möchte.« Er sah sich um und zuckte verächtlich mit den Schultern.
Philip wartete darauf, daß Donovan weitersprechen würde; als er es nicht tat, fügte er selbst hinzu: »Aber heutzutage lebt doch jeder in einem Klan. Oder drehen Sie einen Film über Banditen? Oder über ein historisches Thema?«
Donovan starrte ihn an. »Das ist typisch! Es gibt also nur noch zwei Arten von Menschen – Klanangehörige und Banditen, was? Du lieber Gott!«
»Natürlich ist mir klar, daß es auch einige Leute außerhalb der ...«
»Einige! Wissen Sie überhaupt, wie viele Menschen heutzutage ohne Klanmitgliedschaft und ohne Schild auskommen müssen?«
»Ich ... nein, das weiß ich nicht.«
»Das weiß niemand, weil niemand sich die Mühe macht, sich um diese Leute zu kümmern. Aber ich kann es Ihnen sagen. Mehr als zwanzig Millionen.«
»Hmmm, das ist natürlich möglich. Draußen auf dem Land ...« Philip machte eine vage Handbewegung.
Donovan lachte verächtlich. »Auf dem Land! Dort gibt es nur einzelne Lebensmittelfabriken, die man wirklich nicht mehr als Farmen bezeichnen kann, und ein paar Kurorte. Alles natürlich abgeschirmt. Das Land zwischen diesen Punkten ist praktisch eine Wüste. Nein, meine Zahl gilt für die Städte.«
Seine belehrende Art fiel Philip unangenehm auf.
»Wie wollen Sie das wissen, wenn diese Zahl noch nie offiziell festgestellt worden ist?« erkundigte er sich deshalb.
»Wir haben Probeaufnahmen gemacht. Anschließend brauchten wir nur noch den Durchschnittswert mit der geschätzten Fläche zu multiplizieren.«
»Sie waren ... sind Sie tatsächlich dort gewesen?«
»Selbst? Hören Sie, für wie dumm halten Sie mich eigentlich?«
»Nun, mit einem Schild ...«
»Das würde bestimmt viel nützen! Nein, wir haben drei Kameraroboter losgeschickt. Der erste verschwand plötzlich in einer Qualmwolke und wurde dann in den Fluß geschoben. Der zweite war mit Raupen und entsprechend starken Motoren ausgerüstet, aber er steckt jetzt ebenfalls einige Meter tief im Flußschlamm. Er sendet noch, doch wir können nicht riskieren, ihn dort herausholen zu lassen, nicht wahr?
Der dritte ist zurückgekommen, weil die Banditen, die sich um ihn versammelt hatten, sich in die Haare geraten sind. Unser Roboter war diesmal mit Infrarotkameras ausgerüstet und hat geradezu erschreckende Szenen während dieses Bandenkriegs gefilmt.«
»Wie kämpfen sie überhaupt? Sie haben doch alle ihren Schild?«
Donovan trank sein Glas aus und grinste spöttisch.
»Ich will Ihnen die Überraschung nicht verderben. Das sehen Sie später noch alles auf Ihrem Bildschirm. Zum größten Teil authentische Aufnahmen und Rekonstruktionen, die alles andere verdeutlichen.«
Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und stellte sein Glas ab.
»Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie es wäre, Tag für Tag ohne Schild leben zu müssen? Wie in der guten alten Zeit, nur hundertmal schlimmer? Unruhen, Gewalttätigkeiten, Amokläufer und natürlich immer Banditen. Menschenskind, das ist das nackte Leben!«
Donovan biß sich auf die Unterlippe, und Philip merkte, daß der andere versehentlich den geplanten Filmtitel erwähnt hatte. Donovan sprach jetzt rasch weiter, um davon
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