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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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glaube, ich habe mir erst in diesem Sommer wirklich eingestanden, was mit mir los war, dass Frauen mich einfach nicht interessierten. Also habe ich mir ein Herz gefasst und es ihr erzählt. Und weißt du, was sie mir antwortete: Na und? Oscar Wilde war ein großartiger Mann. Intelligent, verrückt, durchgeknallt. Da bist du doch in guter Gesellschaft!« Er lachte. »Meine Seele bekam Flügel!«
    Â»Und das Lied …?«, fragte Magdalena.
    Â»Ja, das Lied, in dem verdammten großartigen Lied, das ich nie mehr losgeworden bin, habe ich meine damalige Liebe zu einem jungen Norweger beschrieben, den ich kurz nach’eidi auf dem Campingplatz kennengelernt habe.« Er schaute zu Edmondo herüber, der sich noch immer mit dem Standort der Blumenvase beschäftigte. Anscheinend suchte er nach einem Untersetzer, um das helle Holz des Flügels zu schützen.
    Â»Thor!«, flüsterte Antonello noch leiser, als er ohnehin schon sprach. »Er kam aus Uslu.« Wahrscheinlich sprachen die Norweger ihre eigene Hauptstadt so aus. »Uslu. Wir hatten eine wunderbare Zeit. Er hatte lange blonde Haare, fast weiß! Ich habe ihn in dem Text einfach durch deine Mutter ersetzt. War besser so damals …«
    Â»Und den Jungen auf dem Foto kennst du nicht?«
    Â»Ã„h …« Er schaute noch einmal auf das Foto. »Doch? Ja? Ich glaube schon.«
    Magdalena stand wieder auf. Bitte, bitte sag es!, dachte sie. »Das war einer der beiden, mit denen sie dann später unterwegs war. Ich habe sie oft zusammen getroffen, immer zu dritt. Die hätten mir auch gefallen, alle beide, aber ich hatte ja …«
    Â»Thor!«, antwortete Magdalena mit bebender Stimme.
    Â»Meinen Thor!« Antonello schloss die Augen. Magdalena fiel in ihren Sessel zurück. Sie war fast am Ziel, nach acht Wochen
war sie nun fast am Ziel! Wie hieß er?, dachte sie. Sag mir seinen Namen! Bitte mach die Augen wieder auf und stirb jetzt nicht, bevor dir der Name wieder eingefallen ist! Was für ein schrecklich selbstsüchtiger Mensch sie doch war.
    Â»Paolo!«
    Magdalena beugte sich vor, Antonellos Gesicht wirkte von Nahem gar nicht mehr wie ein Totenkopf, sondern wunderschön zart, er war über fünfzig, aber die Krankheit hatte ihm das Alter genommen, seine Augen wurden durch die schwarzblauen Schatten darunter noch größer, er sah aus wie ein kleiner, hungriger Junge. Mit Glatze allerdings.
    Â»Paolo!«, wiederholte er. »Welcher von beiden hieß nun so, er oder der andere? Sie kamen aus Livorno. Paolo und …?« Er schaute Magdalena bekümmert an: »Ich weiß den anderen Namen leider nicht mehr. In meinem Lied habe ich Thor in die goldenen Stiefel gesteckt, ich habe ihn mir so oft darin vorgestellt, dass ich nur noch an ihn gedacht habe, wenn ich es sang. Und bei dem ganzen Rummel, der dann mit San Remo losbrach, habe ich die’eidi ganz vergessen, verzeih mir! Ich habe sie nie wieder gesehen.« Er sah sie mit seinen großen Augen an, bestürzt, als ob er gleich weinen würde, Magdalena hob beruhigend die Hände, nicht so schlimm. Er durfte nicht weinen, wenn er weinte, würde sie sich auch nicht mehr halten können. In ihrem Kopf rauschte es nur noch: Paolo aus Livorno, ein gewisser Paolo aus Livorno und sein Freund waren mit ihrer jungen Mutter über die Insel gezogen. Edmondo kam zu ihnen herüber. »Er darf sich nicht so aufregen«, wisperte er. Aber nun lächelte Antonello wieder: »Edo, holst du mir meinen Saft?« Edmondo nickte und eilte davon.
    Â»Meinen Thor habe ich auch nie wieder gesehen«, flüsterte Antonello Magdalena zu, »er war die Liebe meines Lebens!« Er kicherte wieder, es klang wie ein Röcheln.

    Â»Unerfüllte Liebe kann man jahrelang genießen. Wenn ich mich nicht in Florenz von ihm hätte trennen müssen, wäre er mir vielleicht irgendwann auf die Nerven gegangen. So aber konnte ich ihm ungetrübt hinterhertrauern.«
    Er grinste mit einem Mal lebhaft: »Ich habe ihm mein erstaunliches Leben zu verdanken. Und deiner Mutter und ihrer direkten Art, die Dinge beim Namen zu nennen, auch. Ah ja, und natürlich den Stiefeln…ein bisschen.« Er zeigte mit dem Daumen und Zeigefinger einen entsprechenden Abstand an. »Ich war glücklich. Es war gut.« Magdalena wurde unsicher, was antwortete man einem todkranken Mann, der sein Leben als erstaunlich und gut bezeichnete? Sie wollte etwas

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