Magdalenas Garten
oder?«
»Schätzele! In Italien sind das Beerdigungsblumen, die stehen reihenweise auf dem Friedhof, so deutlich solltest du wirklich nicht zeigen, wie du seinen Gesundheitszustand einschätzt.«
»Setz dich doch«, hauchte Antonello, sie konnte seine Aussprache recht gut verstehen. »Bin ein bisschen müde, verzeih!«
»Das macht nichts, ich bin froh, hier sein zu dürfen«, erwiderte sie. Sollte sie ihn auch duzen? Wenn er ihr Vater war, konnte sie duzen ⦠wenn nicht, eigentlich auch.
»Wie kommt es, dass du so gut Italienisch sprichst?«
Magdalena winkte ab.»Gut? Na ja. Ich lerne das in Deutschland.«
»Und du willst mich etwas fragen, nur zu, ich befürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit bis zu meinem nächsten Schläfchen.
« Magdalena setzte sich auf einen flachen orangefarbenen Sessel und nestelte an ihrer Handtasche.
»Meine Mutter Heidi war im Sommer neunzehnhundertneunundsiebzig auf Elba, neunzehnhundertachtzig wurde ich geboren. Sie starb, als ich anderthalb Jahre alt war. Das ist sie!« Sie holte das Foto aus der Tasche und reichte es Antonello. Er hielt es auf Armeslänge von seinem Gesicht weg und lachte schwach zu ihr hinüber.
»Gucken kann ich immerhin noch!« Magdalena spürte, wie sich die Gegend um ihr Zwerchfell zusammenzog, er würde bald sterben und brachte es auch noch fertig, darüber zu scherzen. Dann konzentrierte sie sich wieder auf das Foto, das er aufmerksam betrachtete.
»Das Stiefelmädchen!âeidi!« Magdalena meinte sich verhört zu haben!
»Ist das Heidi?«, fragte sie. Natürlich war das Heidi. »Ich meine, ist das das Mädchen aus deinem Lied?!«
»Ma si!«
»Wirklich? Wirklich wahr?« Magdalena sprang auf und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie hatte es gewusst! Sie ging ein paar Schritte auf die Fenster zu, kehrte aber schnell wieder um. Sie lachte und versuchte, vor Begeisterung nicht zu laut zu werden: »Du bist der Erste! Der Erste, der sie kennt, der sie wirklich gesehen hat! Aber â¦Â« Auf einmal brach die Gewissheit wie eine Welle über ihr zusammen: Der Junge auf dem Foto, wie undeutlich auch immer, konnte nicht Antonello sein. Antonello war nicht ihr Vater, niemals.
»Aber der Mann neben Heidi bist nicht du !«
»Nooo!« , hauchte er. Edmondo kam mit den Blumen in einer Vase herein, er wollte sie auf den Flügel stellen, zögerte aber.
»Es ist nicht gut, wenn er so viel spricht«, murmelte er vor sich hin.
»Ob ich nun spreche oder nicht«, sagte Antonello und versuchte so etwas wie ein Kichern zustande zu bringen, »das geht meinem restlichen Körper am Arsch vorbei!« Magdalena lachte und rückte ihren Sessel ganz nah an Antonello heran, der jetzt zu erzählen begann.
»Es war in dem Sommer, als ich das erste Mal allein weggefahren bin. Wir kommen aus Florenz, und ich habe immer nur mit der Familie Ferien gemacht, jedes Jahr das gleiche Appartement in Viareggio. Meine Eltern, meine drei Schwestern und ich. Ich hatte mir Elba ausgesucht und strandete auf einem Campingplatz in Marina di Campo, âºUnter den Olivenâ¹, so heiÃt der heute noch. Mir ging es nicht gut, da hatte ich so gekämpft, alleine zu verreisen, und nun wusste ich mit meiner neuen Freiheit gar nichts anzufangen.«
Er machte eine Pause, Magdalena betete, er möge weiterreden, ohne Mimik sah sein Gesicht einem Totenkopf noch ähnlicher.
»Nach drei schrecklich einsamen Tagen habe ich sie getroffen. Sie war auch allein unterwegs, hatte ein winziges rotes Zelt. Wir sind uns oft am Strand begegnet, da saà sie im Sand und schrieb Tagebuch, oder sie stapfte mit ihren komischen Stiefeln am Meer entlang wie ein Cowboy. Calamity Jane, habe ich sie immer genannt, dabei war sie ja nicht hässlich, im Gegenteil, sie war wunderschön. Ungewaschen, ungekämmt, aber schön. Und sie hat mir zugehört.« Er hob den Blick und sah ihr in die Augen.
»Deine Stimme und dein Akzent erinnern mich an sie!« Magdalena kräuselte ihre Nase, um die verdammten Tränen zurückzuhalten.
»Mich erinnert sie an unseren Papst, der spricht auch so«, kam es trocken von Edmondo im Hintergrund. Antonello grinste sie an, und Magdalena fing die einzelne Träne mit der Zungenspitze auf, wischte sich über die Wange und lachte.
»Irgendwie gefiel sie mir, sie war so ernst und so anders als die italienischen Mädchen. Ich
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