Magdalenas Garten
drehte sich um und sprang die Stufen hinab.
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D ie Villa lag an einer kleinen Sackgasse am westlichen Ende von Capoliveri. Das weiÃe Eisengitter hatte übel aussehende Spitzen, das elektrische Tor war mit einer gelben Warnlampe versehen, zwei graue Kästen mit Ãberwachungskameras waren auf etwaige Eindringlinge gerichtet. Auch der dichte Bewuchs mit violett blühender Bougainvillea, Zierwein und Efeu konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier jemand in seinem Reichtum ungestört bleiben wollte. Magdalena lugte durch die Gitterstäbe. Hatte sie mit diesem wunderschönen Garten etwas zu tun, der sich neben der gepflasterten Einfahrt ausbreitete? Mit dem gigantischen geflügelten Marmortorso und den TerrakottagefäÃen, in denen Agaven und Palmen wuchsen? Mit seinem Nachnamen? Seinen Genen, die er vielleicht aus Versehen in ihrer Mutter zurückgelassen hatte? Bevor er seine Homosexualität entdeckte.
Magdalena packte die Blumen in ihrem Papier ein wenig fester und drückte auf den Klingelknopf, das gewölbte Kameraauge darunter schien sie abzuscannen. Sie lächelte zaghaft, da drinnen würde jetzt jemand ihr Konterfei auf dem Monitor beurteilen. Das Tor schob sich surrend zur Seite, sie schlüpfte hindurch und ging auf das pompöse Holzportal zu. Es öffnete sich, und heraus trat Edmondo. Seit sie sich von ihm in dem Krawattenladen verabschiedet hatte, schien er sein trauriges Lächeln
nicht abgelegt zu haben. Er reichte ihr seine schmale, trockene Hand.
» Grazie , dass ich kommen durfte!«, flüsterte sie auf Italienisch und hoffte, dass der Satz richtig war. Mit »dürfen«, »können« und »sollen« kam sie manchmal noch durcheinander.
» Er wollte das so«, gab Edmondo in der gleichen Lautstärke zurück, in seiner Stimme lag ein ängstliches Zittern. Er konnte sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass Antonello jemals Beziehungen zu Frauen gehabt hatte. Steht hier etwa Antonellos Erbin vor mir?, fragte er sich vielleicht. Die sich gleich, wenn sie hier herauskam, einen Anwalt nehmen würde, um den Unterhalt der vergangenen drei Jahrzehnte einzuklagen? Magdalena versuchte etwas Beruhigendes in ihren Gesichtsausdruck zu legen. Sie ging hinter ihm her, die Blumen wie eine Eintrittsberechtigung in der Hand, und durchquerte eine düstere Halle mit dunklen Truhen und Ãlgemälden in schweren Goldrahmen. Viel stürmischer Himmel, aufgewühltes Meer, Strand. Wenigstens keine Segelschiffe in Seenot, dachte sie. Hinter der nächsten Tür wechselte die Kulisse. Vor ihnen öffnete sich ein heller, weitläufiger Raum mit flachen Sideboards, dunkelbraunen Glaskugellampen, mehreren Sesseln und Sofas in eckiger, schnörkelloser Form. Magdalena fühlte sich in einen Film aus den Siebzigerjahren zurückversetzt. Durch die bis zum FuÃboden reichenden Fenster konnte man in den blühenden Garten schauen, Lavendelrabatten, eine sehr männliche Marmorstatue, Palmen und Olivenbäume, dazwischen blinkte es türkisblau, ein Pool wahrscheinlich. Rechts vor der Fensterfront standen ein gigantischer Flügel aus hellbraunem Holz, ein Keyboard und ein Verstärker. Zwei E-Gitarren lehnten an der Wand, an der sich ein Regal voller Schallplatten bis hoch zur Zimmerdecke zog. Auf einem der Sofas lag Antonello unter einer Wolldecke. Magdalena erschrak, das sollte der junge Mann aus dem
YouTube-Video sein? Er schien geschrumpft, seine fleckige Gesichtshaut spannte sich viel zu stramm über den Schädel, die ehemals halblangen schwarzen Haare waren ihm ausgegangen, auch die Pilotenbrille war verschwunden. Er richtete sich nicht auf, als sie näher kam, sondern streckte nur einen Arm in ihre Richtung. Meine Güte, wenn er dafür schon zu schwach war. Magdalena ergriff seine Hand und versuchte nicht darüber nachzudenken, woraus sich der Geruch zusammensetzte, den er verströmte, doch ihre Nase konnte nicht anders: Franzbranntwein, Krankenhaus, Maiglöckchen. Welke Maiglöckchen. »Ich habe ein paar Blumen mitgebracht.« Sie schaute sich Hilfe suchend nach Edmondo um, der ihr daraufhin die leuchtend blauen Iris abnahm und damit verschwand. Gott sei Dank hatte Holger sie bei der Blumenauswahl beraten:
»Callas, du willst ihm doch keine Callas mitbringen!?«
»Doch, warum nicht? Grün und weiÃ, ich liebe ihre Schlichtheit, man soll doch immer das schenken, was man selber schön findet,
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