Magdalenas Garten
Kluges sagen, schaffte es aber nur, zuversichtlich zu lächeln.
»Wo hast du sie getroffen, an welchen Orten?«, fragte sie. Aber Antonello hatte seine Augen bereits wieder geschlossen, und Edmondo, der plötzlich neben ihr stand, nutzte die Gelegenheit, Magdalenas Arm zu nehmen und sie mit sich fortzuziehen.
»Er dämmert zwischendurch immer mal wieder weg. Lello ist so tapfer, er beschwert sich nie.« Magdalena warf einen letzten Blick auf den Garten, der da drauÃen vor den Fenstern mit obszöner Lebendigkeit grün und bunt vor sich hin wuchs. Edmondo brachte sie zur Tür: »Auch wenn Sie etwas anderes hören sollten, er ist nicht an Aids erkrankt, er hat Krebs.« Er machte eine hoffnungslose Handbewegung, die den ganzen Bauch, Rumpf, Brustkorb mit einschloss. »Ich bin froh, dass Sie da waren, Lello erzählt mir diese Geschichten nicht, aber es tut ihm so gut, sich daran zu erinnern.« Magdalena schluckte, seine Krawatte war heute lindgrün mit feinen weiÃen und gelben Streifen, frisch wie ein Gänseblümchen.
»Maddalena! Er wird sich bald aus dem Staub machen, er wird mich hier bald allein zurücklassen.« Edmondo presste ihre
Hand mit erstaunlicher Kraft. »Ich weià nicht, wie das gehen soll.« Magdalena legte ihre freie Hand auf seine und umschloss sie damit. Sie war erstaunt, dass er sich ihren Namen gemerkt hatte.
»Kommen Sie wieder, wann immer Sie wollen, rufen Sie am besten vorher an«, sagte er. Zusammen standen sie da, die Hände verknotet, als ob sie einen geheimen Pakt schlössen.
»Wo arbeiten Sie? Sie arbeiten doch hier in Capoliveri, oder?«
»In Procchio, in der Bar Elba .«
Er nickte und begleitete sie zum Tor. Sie schaute ihm nach, als er wieder ins Haus ging. Aber er drehte sich nicht mehr um.
Magdalena suchte nach ihrem Schlüssel und klappte den Sitz des Motorrollers nach oben, um den Helm herauszunehmen. Antonello würde sterben, er hatte Heidi tatsächlich gekannt. Er kannte ihre Stimme, die der ihren so ähnlich sein musste! Oma Witta war tot, Opa Rudi würde vermutlich vor ihr sterben, Heidi war gestorben, ihr konnte es schon bald ebenso ergehen. Ein Lastwagen, der mich nicht sieht, der mich auf einer schmalen BergstraÃe abdrängt, eine unübersichtliche Kreuzung, ein Ziegelstein, der auf meinen Kopf fällt, es kann jederzeit vorbei sein. Zack! Noch nie war ihr das eigene Leben so kostbar erschienen. Behutsam setzte sie den Helm auf und atmete den Duft der Bougainvillea ein. Noch bin ich am Leben, und das Leben ist verdammt schön. Warum habe ich das bisher nie so richtig kapiert - und wenn, dann höchstens mal für ein paar Sekunden -, warum bin ich bisher so unempfänglich meinem eigenen Glück gegenüber gewesen? Nach Hause, ganz vorsichtig, nein, nicht nach Hause, sondern in den Zitronengarten zu Matteo.
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E r hat sie gekannt, er hat sich sogar an ihre Stimme erinnert, sie soll meiner ganz ähnlich gewesen sein ⦠die Neuigkeiten zerplatzten förmlich in ihrem Gehirn und wollten als Sätze hinaus. Doch der, für den Magdalena sie formuliert hatte, während sie den Roller konzentriert über die InselstraÃen lenkte, war nicht da. Stumm schüttelte sie die Piniennadeln aus der Hängematte, ging unter den Zitronenbäumen auf die Mauer zu und strich mit den Händen daran entlang. Die Steine waren unbearbeitet übereinandergeschichtet worden und bildeten ein eigenwilliges Muster. Sie suchte die beiden Vorsprünge, die Matteo ihr vor zwei Tagen gezeigt hatte, und kletterte hinauf. Das Fenster zwischen den Zweigen zeigte ein dunkelblaues Meer, der Horizont war diesig, die Luft feucht, vielleicht würde es heute Abend noch regnen. Bei Regen kamen nicht so viele Leute in die Bar, wäre gar nicht schlecht, mal ein bisschen weniger zu laufen. Ihr Magen knurrte, sie hatte seit Mittag nichts mehr gegessen, und jetzt war es schon halb sechs. Um diese Zeit war Matteo doch immer im Zitronengarten anzutreffen, wo steckte er bloÃ? Sie rutschte ein wenig auf der Mauer herum, um eine bequemere Position für ihren Hintern zu finden, und schaute hinunter. Der Schlauch lag ordentlich zusammengerollt neben dem kleinen Holzschemel unter den Bäumen, die sich anscheinend gut erholt hatten von der Chemotherapie.
Magdalena hatte sich im Internet ausführlich über auftretende Schädlinge bei Zitruspflanzen informiert. Die geflügelten Tierchen,
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