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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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von der Arbeit nach Hause kam, hatte Roberto sie unter die Dusche gezerrt. Magdalena rannte auf das Tor des Hauses zu und drückte auf die Klingel. Roberto war früher als sonst aufgetaucht, schon um halb zwei. Zusammen hatten sie Champagner getrunken, geduscht, und dann hatte er diesen Einmalrasierer in der Hand gehabt. Pension Natale stand in ganz kleinen Buchstaben unter der Klingel, das Tor öffnete sich, Magdalena rannte mit ihrem Dach aus Stoff über den Gartenweg auf die Haustür zu. Über ihr krachte es wieder gewaltig, cavolo , ich habe wahrlich nicht vor, mich vom Blitz erschlagen zu lassen, zuckte es durch ihren Kopf, aber wenn ich sterbe, gehe ich wenigstens mit einer hübschen Intimfrisur in den Tod! Worüber man alles in Lebensgefahr noch so nachdenken kann, wunderte sie sich und warf sich gegen die Haustür, die sich in diesem Moment öffnete. In weitem Bogen landete Magdalena auf dem Kachelboden, auf allen vieren rutschte sie weiter vorwärts, bis ihr Kopf von einer Holzwand gestoppt wurde.
    Â 
    Â»Mi senti?«
    Schon wieder? Das kannte sie doch von irgendwoher.

    Â» Madonna! Was ist passiert?« Die Frau war klein und braun gebrannt, ihr Gesicht glich dem ihrer Tochter Sonia, doch in ihren Zügen waren Sonne, Erfahrungen, Freude und Anstrengungen der letzten Jahre wie auf einer Landkarte verzeichnet. Magdalena richtete sich aus ihrer Vierfüßlerhaltung auf, rieb sich die Stirn und setzte sich dann auf den Boden. Er war nass und schwankte leicht, zahlreiche Postkarten lagen verstreut umher, Napoleons Villa, Napoleons Büste, der Strand von Procchio. Das Handtuch lag als vollgesogene Würgeschlange um ihren Hals. Draußen krachte ein besonders lauter Donnerschlag, und der Regen pladderte gegen die Fensterscheiben wie in einer Waschanlage.
    Â»Acqua!« , lächelte die Frau und zeigte nach oben, behutsam zog sie Magdalena vom Boden hoch, befreite sie von dem Handtuch und führte sie zu einem Sessel, der in einer Ecke auf einem Perserteppich stand und aus einem Königshaus zu stammen schien. Sie drückte sie auf das Polster.
    Â»Was für ein Regen! Es tut mir leid, aber bei uns ist bis Oktober alles ausgebucht.« Magdalena nickte, dann schüttelte sie den Kopf und versuchte mit Daumen und Zeigefinger das T-Shirt von ihrem Körper zu lupfen. Nass und kalt klatschte es wieder gegen ihre Haut. Jetzt sah sie, woher die vielen Postkarten kamen, die Wucht ihres Aufpralls hatte den Ständer von einem Holztresen kippen lassen und über sie ausgeleert.
    Â»Ich brauche kein Zimmer, ich brauche eine Antwort, Signora Galetti!« Komischerweise war ihr der Name wieder eingefallen, der Satz klang wie aus einem billigen Detektivfilm. Mit tauben Fingern öffnete Magdalena ihre Umhängetasche, die ebenfalls aussah wie aus dem Wasser gezogen, und das Foto darin war nicht nur verknickt, sondern jetzt auch noch nass am Rand. Sie reichte es ihr.
    Â»Meine Mutter. Vor dreißig Jahren. Vor einunddreißig.«

    Signora Galetti betrachtete das Foto, und Magdalena betrachtete die Signora. Eigentlich gehörte sie gar nicht in diese hässlich zusammengestückelte Pension. Die weißen Fliesen, der Teppich darauf, der Kühlschrank und die zwei kolorierten Heiligenbilder darüber an der Wand passten nicht zu ihrer Bräune, den luftigen Safarihosen in Dreiviertellänge und dem T-Shirt mit dem blassen Zebramuster. Ihre Sandalen waren aus weichem, teurem Leder.
    Â»Sie war im Winter hier, im Oktober oder vielleicht November neunundsiebzig, sie war schwanger und …«
    Â»â€¦ genauso alt wie ich!«, beendete Signora Galetti Magdalenas Satz. »Ich erinnere mich gut an sie, immer war sie allein unterwegs, jeden Morgen zog sie los, und es war kalt, ja, es muss im November gewesen sein, sie hatte nur eine kurze Jacke dabei und umwickelte sich den Bauch mit einem Wolltuch, das machte sie noch runder …«
    Â»Sie war hier? Sie hat hier gewohnt?«
    Â»Ja, sie tat mir so leid, so ohne Mann, ich habe noch oft an sie denken müssen. Einmal habe ich sie beim Frühstück gefragt, ob sie sich einen Jungen oder ein Mädchen wünscht, und sie hat geantwortet: Ich hoffe, es wird ein Mädchen!« Sie lächelte. »Kommen Sie, ich mache uns einen Kaffee, und dann müssen Sie sich wenigstens die Haare trocknen.«
    Â 
    Während draußen der Regen niederging, saß Magdalena bei Signora Galetti im Salon. Auch hier

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