Magermilch
zu einem reklamierenden Kunden?«
Maurer trat heran und nickte ernst. »Ja, leider. To…« Er schluckte den Namen hinunter und sagte schnell: »Unser Betrieb hat sich vor einiger Zeit ein Kontingent minderwertiger Ware andrehen lassen. Das rächt sich halt irgendwann.«
Fanni nickte verständnisvoll.
»Heutzutage muss man jeden Handel genau unter die Lupe nehmen«, fuhr Maurer fort, »die Zeiten haben sich geändert. Es ist nicht mehr so wie früher, als Geschäfte noch auf Ehre und Gewissen abgeschlossen wurden.«
»Und Sie sind ständig unterwegs, um alles auszubügeln?«, fragte Fanni.
Maurer winkte ab. »Hauptsächlich um die Beschimpfungen einzustecken.« Er schnitt eine Grimasse. »Das Unangenehmste an der ganzen Sache ist, dass Hannes Gruber einen Teil der Ware zum Verkauf übernommen hat. Natürlich kamen auch bei ihm Reklamationen. Dabei war er schon wütend genug …« Maurer unterbrach sich und tippte auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr. »Ich muss dringend los. Einen schönen Tag noch, Frau Rot.«
Das Gespräch mit Hannes dürfte interessant werden, dachte Fanni, während sie in den Shop ging, um zu bezahlen.
Falls du Gruber überhaupt antriffst! Der Betriebschef wird kaum im Verkaufsraum stehen und Kellerregale verhökern!
Fanni hatte Glück. Als sie auf den Eingangsbereich zuging, lief sie Hannes quasi in die Arme. Er erkannte sie sofort.
»Ja, wen haben wir denn da? Fanni-Winzling! Keinen Millimeter gewachsen in den vergangenen zwanzig Jahren.«
Sie grinste ihn an. »Hannes, der Rennfahrer. Heute zu Fuß unterwegs?«
»Nur ein paar Meter.« Er deutete auf eine offene Garage, aus der sein roter Sportwagen hervorlugte. »Was führt dich her?«, fragte er dann.
Fanni erklärte es ihm.
»Zwei zwanzig breit, dreißig tief, eins achtzig hoch«, wiederholte er die Maße, die sie von einem Zettel abgelesen hatte. »Fichtenholz gebürstet?«
Fanni nickte.
»Dürften wir auf Lager haben«, sagte Hannes. »Komm mit.«
Fanni folgte ihm in den Verkaufsraum.
»Schlimm, das mit Willi«, sagte Fanni, während Hannes mit der Computermaus klickte, wobei er »zwei zwanzig, zwei zwanzig« murmelte.
Er sah vom Bildschirm auf. »Am schlimmsten ist, dass es einer von uns gewesen sein soll, der sich an seinem Klettergurt zu schaffen gemacht hat. Dieser großgoscherte Kiberer hätte mich am liebsten gleich eingesperrt.«
»Ihm wird halt zu Ohren gekommen sein, dass ihr Streit hattet, du und Willi«, entgegnete Fanni.
»Klar hatte ich Krach mit dem Saubeutel«, regte sich Hannes auf. »Meinst du, ich lass mir das gefallen, dass seine überspannte Schwägerin die Herren vom Bauausschuss bezirzt und sein sauberer Herr Geschäftsführer den halben Stadtrat schmiert, damit die Aufträge weg von Gruber-Hölzer und hin zu den Stolzers flattern?« Er wedelte mit den Händen in Richtung Ausgang. »Und genauso wenig lass ich mir gefallen, dass mir der saubere Herr Geschäftsführer verzogene Paneelen andreht.« Er packte eine Messlatte und schleuderte sie vom Tisch. »Aber eins sag ich dir, wenn ich den Willi deshalb umbringen hätt wollen, dann hätt ich gewiss nicht mit einer Nagelschere an seinem Klettergurt rumgefieselt, ich …«
»Wieso Nagelschere?«, unterbrach ihn Fanni.
Hannes fasste sie scharf ins Auge. »Ja, ein Brecheisen tät sich nicht dafür eignen, die Fasern einzeln durchzutrennen, sodass genau so viele übrig bleiben, wie nötig sind, dass der Gurt bei einem mäßigen Zug noch hält, bei einem harten Ruck aber reißt. Da braucht man Sachverstand und Fingerspitzengefühl.« Er spreizte seine Hände vor Fannis Augen. »Glaub mir, mit solchen Pranken tätst du dich da schwer. Handarbeit war schon immer Frauensache. Ich hätt dem Willi eins übern Schädel gegeben – mit dem Vorschlaghammer.«
»Du verdächtigst Martha?«, fragte Fanni geradeheraus.
Hannes zuckte die Schultern. »Sie hätt’s gekonnt.«
»Aber wo läge das Motiv?«, erwiderte Fanni. »Oder meinst du, Martha hat ein Verhältnis mit Toni?«
Hannes lachte sich schlapp. »Mit Toni, der Schwuchtel!«
»Schw…« Das Wort blieb Fanni im Hals stecken. »Toni ist – war fast zwanzig Jahre lang mit Gisela verheiratet.«
»Ohne Frage«, antwortete Hannes immer noch lachend. »Und was glaubst du, warum es ihm zwanzig Jahre lang am Arsch vorbeiging, wenn sie sich von jedem Schmalzdackel hat anbaggern lassen?« Er hob schulmeisterlich den Zeigefinger. »Die Ehe von Gisela und Toni ist ein Geschäft gewesen, ein Handel, der den zwei
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