Magermilch
Fremdenverkehrsort unterhalb der Rusel) seinen Ausgangspunkt hatte, an der Wastlsäge (dem ehemaligen Nobelhotel) vorbeilief und weiter zum sogenannten Teufelstisch führte. Eigentlich mochte Fanni diesen Felsaufbau nicht besonders, der wegen seiner Form und wohl auch wegen seines überraschenden Auftauchens mitten auf einem Hügelkamm den teuflischen Namen trug.
Doch der Weg dorthin war recht angenehm, malerisch und – falls man bis zur Wastlsäge mit dem Auto fuhr – kurz genug für einen knappen Nachmittag.
»Eine Gedenktour«, wiederholte Sprudel, nachdem ihm Fanni erzählt hatte, was auf Rudolf Hummels Initiative hin geplant worden war. Er ließ traurig seine Wangenfalten hängen. »Du wirst zwei Tage lang fort sein.«
Fanni nahm seine Hand. »Samstag und Sonntag. Wochenende. Da könnten wir uns vermutlich sowieso nicht treffen.«
»Und wenn ich mitkäme?«, fragte Sprudel hoffnungsvoll.
Darauf fand Fanni keine Antwort.
Sprudel drückte ihre Hand, dann ließ er sie los, weil er einen überhängenden Ast beiseitebiegen musste. »Ich weiß, es geht nicht. Erstens gehöre ich nicht dazu, zweitens würde Hans Rot davon erfahren, und drittens würde es dich vor deinen Freunden kompromittieren.«
»Es tut mir leid«, sagte Fanni.
Sprudel bemühte sich sichtlich um Haltung. »Versprich mir, dass du auf dich achtgibst – und auf Leni.«
»Ich muss bei Jonas noch Steigeisen und Pickel für sie holen«, entgegnete Fanni, um wieder festen Boden zu gewinnen. »Er hat eine ganz neue Ausrüstung, sagt Leni, die sie sich bestimmt ausborgen darf.«
»Jonas Böckl, der Büchsenmachersohn?«, fragte Sprudel, dem dieser Name bei ihren früheren Ermittlungen bereits mehrmals untergekommen war.
»Jonas ist inzwischen selbst Büchsenmacher«, erklärte Fanni.
»Und Jonas ist nicht nur Jäger, sondern auch Bergsteiger«, stellte Sprudel fest.
Es wurde für eine ganze Weile still, weil sich der Pfad verengte und sie durch einen Kahlschlag steil berganführte.
Als der Weg wieder breiter und das Gelände ein wenig flacher wurde, sagte Sprudel: »Die Ermittlungen im Mordfall Stolzer scheinen nicht recht voranzukommen.«
»Hattest du Gelegenheit, mit Marco darüber zu sprechen?«, fragte Fanni.
»Heute Mittag haben wir uns ein wenig am Telefon unterhalten«, erwiderte Sprudel. »Marco hatte eineinhalb Stunden Pause zwischen den Vorträgen.« Er kickte einen dürren Ast vom Weg. »Marco sagt, ihm als nur ganz am Rande Beteiligten komme es so vor, als würde sich in die Ermittlungsergebnisse immer wieder dasselbe Bild einblenden.«
»Und welches wäre das?«, erkundigte sich Fanni.
»Marco hat sich folgendermaßen ausgedrückt: ›Nachdem gefühlte zweihundert Freunde, Geschäftspartner, Nachbarn und Verwandte der Stolzers vernommen sind und gefühlte dreihundert Aussagen geprüft und verglichen wurden, steht Martha Stolzer nach wie vor im Lichtkegel des Hauptverdachts.‹« Sprudel warf Fanni einen bedauernden Blick zu. »Das liegt wohl daran, dass sie am leichtesten an Willis Gurt kam und sicherlich am genauesten über sein Vorhaben im Klettergarten informiert war. Sie beteuert jedoch nach wie vor, es nicht gewesen zu sein.«
Sprudel verschnaufte kurz, dann sprach er weiter: »Allerdings steht wohl auch Hannes Gruber ziemlich weit oben auf der Verdächtigenliste von Frankls Ermittlerteam. Für seine Auseinandersetzung mit Willi gibt es einen Haufen Augenzeugen, und noch viel mehr Zeugen versichern, dass Gruber schon seit Längerem nicht mehr gut auf seinen Bergkameraden Willi Stolzer zu sprechen war. Natürlich bestreitet Hannes, Willis Klettergurt präpariert zu haben. Er behauptet sogar hartnäckig, die Manipulation sei eindeutig die Handschrift einer Frau.«
Fanni verlangsamte den Schritt, als sie merkte, dass Sprudel durch das viele Reden zu sehr außer Atem geriet. Er warf ihr einen dankbaren Blick zu und fuhr fort: »Beweise gegen Hannes Gruber gibt es scheint’s nicht. Und er bekommt ausgerechnet von Martha Rückendeckung. Sie soll ausgesagt haben, Hannes habe kaum eine Möglichkeit gehabt, Willis Gurt zu manipulieren. Zum einen habe er das Haus der Stolzers seit Langem nicht mehr betreten, zum andern habe Willi auf den letzten Touren seinen alten Kombigurt benutzt, sodass Gruber auch in den Berghütten nicht an den Gurt herangekommen wäre, den Willi im Klettergarten trug.«
»Hm«, machte Fanni. »Willis Hüftgurt hat also das Haus vor dem Absturz nur dieses eine Mal verlassen, als das Monogramm
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