Magermilch
Mädeln einen Haufen Vorteile gebracht hat. Gisela konnte in eine angesehene Familie einheiraten, die ihr die geeignete Bühne für ihre Rollenspiele bot. Toni konnte ungestört mit seinen Freiern herummachen. Gisela war das Alibi, das ihn davor bewahrt hat, ins Gerede zu kommen.«
»A… aber Toni«, stotterte Fanni. »Mit wem ist Toni denn liiert?«
»Heut mit dem einen, morgen mit einem andern. Der Toni ist da nicht wählerisch.«
»Er hat keinen festen Freund?«, fragte Fanni mit zurückerlangter Fassung.
»Wenn er einen hätte, wäre mir das bestimmt nicht entgangen«, erwiderte Hannes selbstgefällig. »Es tut sich nicht viel in der Stadt, das ich nicht mitkriege.«
»Soll das heißen, du weißt, dass Martha ein Verhältnis hat und mit wem? Mit Maurer?«
Hannes schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass Martha immer so verdammt musterhaft tut. Und manchmal frage ich mich, was hinter dieser ehrbaren Fassade steckt.«
»Meine Güte, Hannes«, fuhr Fanni auf. »Nicht jeder hat eine Leiche im Keller.«
»Aber die meisten. Du etwa nicht?«, antwortete Hannes trocken und wandte sich wieder der Tabelle auf dem Monitor zu.
Was weiß der Kerl von dir? Weiß er etwas von Sprudel und meint …?
Fanni rang um Haltung.
Lass dir bloß nichts anmerken! Er will dich nur aufs Glatteis führen. Sieh zu, dass du das Gespräch wieder dahinbringst, wo du es haben willst – bei den Stolzers und ihrem Schlamassel!
»Mir kommt es allmählich so vor«, sagte Fanni langsam, denn sie fühlte sich ein wenig mitgenommen, »als wäre all dieser Zank und Streit und Ärger erst ausgebrochen, nachdem Willi den Maurer zum Geschäftsführer gemacht hat.«
»Kotzbrocken«, murmelte Hannes.
Da ging sie zum Angriff über: »Hast du ihm neulich im Holzlager der Stolzers eins übergebraten?«
Hannes schlug mit Wucht auf die Return-Taste. »An einem Schleimscheißer wie dem Maurer mach ich mir die Hände nicht schmutzig. Und wenn so ein Hornvieh von Zeuge behauptet, mein Wagen hätte dann oder dann auf dem Parkplatz vor der Stolzer’schen Holzhandlung gestanden, dann lügt die Sau. Da hat mein Wagen noch nie gestanden – nie. Wenn ich denen einen Besuch abstatte, dann parke ich rückwärtig bei den Lkw-Garagen. Das hab ich dem Scheltmaul von Kommissar auch gesagt.«
War der etwa gerade hier gewesen?
Fanni schluckte hart. Hatte sie doch falsche Angaben gemacht? Seit ihrem Aufenthalt in Stockheim musste sie diese Möglichkeit durchaus in Betracht ziehen.
»Ist dein roter Sportwagen mit den bunten Aufklebern nicht einzigartig und unverwechselbar?«, versuchte sie ihre Zeugenaussage – hauptsächlich vor sich selbst – zu verteidigen.
»Allerdings«, sagte Hannes. »Und deswegen glaube ich, dass mich da einer hinhängen will. Wenn ich rauskrieg, wer das ist, kann er seine Knochen auf dem Schrottplatz einsammeln.«
Nette Aussichten für Fanni Rot!
Die Eingangstür gab eine melodiöse Tonfolge von sich.
Hannes linste an Fanni vorbei. »Was wird denn das jetzt? Ein Mannschaftstreffen?«
Fanni drehte sich um und sah Rudolf Hummel zu ihnen treten.
Er begrüßte zuerst sie, dann Hannes.
Der ließ ihm keine Zeit für Floskeln. »Brauchst du auch ein neues Regal für deinen Keller?« Er schaute auf den Bildschirm. »Zwei zwanzig breit, dreißig tief, eins achtzig hoch?«
Rudolf runzelte die Stirn. »Ich komme wegen Willi.«
»Der ist tot«, sagte Hannes lakonisch.
»Ja«, antwortete Rudolf, »und ich finde, wir sollten seiner gedenken.«
»Und wie wir das demnächst tun werden«, rief Hannes. »Lang kann es ja nicht mehr dauern, bis der Willi mit Glanz und Gloria eingegraben wird. Und danach, beim Leichentrunk, da leeren wir ein ganzes Fass auf ihn.«
»Würdig gedenken, so wie es Willi gebührt«, entgegnete Rudolf pikiert.
»Gebührt«, äffte Hannes ihn nach. »Was schwebt dir denn da so vor, Klugscheißer? Sollen wir ihm ein Denkmal aus Holzdübeln basteln?«
»Ich dachte an eine Bergtour«, sagte Rudolf.
Hannes stutzte. »Gar nicht so dumm. Jeder nimmt ein paar Steine mit auf den Gipfel, und wir bauen für Willi ein Türmchen da oben.«
Rudolf nickte beipflichtend, dann wandte er sich an Fanni. »Ihr kommt doch auch mit, du und Hans? Das seid ihr Willi schuldig, um der alten Zeiten willen.«
Ohne lang nachzudenken, sagte Fanni zu.
»Wir dürfen die Sache aber auf keinen Fall bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag vor uns herschieben«, sagte Rudolf entschieden. »Ich habe bereits mit Martha gesprochen. Sie ist damit
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