Magermilch
einverstanden, Willis Gedenktour fürs kommende Wochenende anzusetzen. Übermorgen findet in ihrer Wohnung eine Besprechung statt, abends um acht. Da legen wir dann gemeinsam das Ziel der Tour fest.«
Fanni sah, wie Hannes den Mund zum Protest öffnete.
Das lässt er sich nicht bieten, von Rudolf so überfahren zu werden, dachte sie. Wie ich den Hannes kenne, bestimmt er auf der Stelle einen anderen Zeitpunkt und versteift sich darauf.
Das hättest du wohl gern, dass Hannes die Sache vertagt!
Doch der atmete nur tief durch und sagte: »Meinetwegen«, dann wandte er sich wieder dem Rechner zu und begann, auf der Tastatur herumzutippen.
Unter Rudolfs fragendem Blick nickte Fanni zögernd. Einen Rückzieher wagte sie nicht zu machen, doch seit ihrer vorschnellen Einwilligung wurde sie zunehmend besorgter.
Mit Recht! Mit gutem Recht! Was nämlich wird Hans Rot dazu sagen?
HALT DEN RAND!
Ein Drucker begann zu summen. Zwanzig Sekunden später knallte Hannes die Rechnung für Fannis Regal auf den Tisch. »Kannst du bei Gelegenheit überweisen, Fanni-Herzchen. Aber jetzt fährst du erst mal zu Rampe zwo. Dort hilft dir jemand beim Einladen. Keine Angst, das Ding ist in Einzelteile zerlegt. Hans kriegt sie schon richtig zusammen.« Er deutete einen militärischen Gruß an und eilte davon.
»Wir treffen uns also am Mittwoch«, verabschiedete sich Rudolf von Fanni und wandte sich ebenfalls dem Ausgang zu.
Sie schaute ihm einen Moment lang bedrückt nach, dann faltete sie die Rechnung zusammen, steckte sie in ihre Tasche und setzte sich in Marsch.
Hans wird rot sehen, dachte sie, während sie auf den Parkplatz zusteuerte.
Rot!
Aus der Garage gegenüber lugte noch immer der rote Sportwagen. Fanni schlug einen Bogen und strebte auf Hannes’ Auto zu. Neben dem Heck blieb sie stehen. Aufmerksam studierte sie die Aufkleber.
Bevor sie sich wieder abwandte, warf sie noch einen Blick auf die Autonummer: DEG H 51. Hannes hatte sie beibehalten. Und er hatte auch die Motive seiner Aufkleber beibehalten: Hütten und Bergbahnen.
Nachdem sich Fanni in den fließenden Verkehr auf der Hauptstraße eingereiht hatte, kehrten ihre Gedanken zur geplanten Willi-Stolzer-Gedächtnis-Bergtour zurück.
Wie soll ich das bloß meinem Mann beibringen?
Mit Anlauf durchs Minenfeld!
Als Hans Rot zum Mittagessen nach Hause kam, fackelte Fanni nicht lang. »Rudolf organisiert eine Gedenktour für Willi. Wir werden dabei sein, ich hab’s versprochen.«
»Spinnst du!«, schrie Hans Rot. »Die Tour geht ja wohl kaum auf den Dreitannenriegel oder auf den Natternberg. Die geht in die Alpen. Über Schneefelder und Gletschereis vermutlich. Tausend Meter Höhenunterschied mindestens.«
Fanni sah ihren Mann ungerührt an. »Hätte ich sagen sollen ›Willi ist uns wurscht, wir bleiben lieber zu Hause auf dem Sofa sitzen‹?«
Als Hans daraufhin beschämt den Kopf hängen ließ, tat er ihr ein wenig leid.
»Fanni«, sagte er betreten, »so einen Anstieg schaffe ich nicht mehr. Ich bin doch völlig außer Form. Du, ja, du kannst wahrscheinlich noch mithalten.« Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Fahr du und nimm Leni mit. Die wollte schon lang mal eine Gletschertour machen.«
Fanni nickte. Die Lösung war nicht schlecht. Aber würde Leni mitkommen wollen? Sie verbrachte inzwischen jedes Wochenende mit Marco.
Verständlich, dachte Fanni, sie sehen sich ja während der Woche nie.
»Ruf sie an«, drängte Hans Rot, »jetzt gleich.«
Erstaunlicherweise sagte Leni zu.
»Weißt du«, erklärte sie Fanni, deren Überraschung sie offenbar spürte, »Marco ist fast das ganze Wochenende eingespannt, er steckt gerade mitten in einem Seminar. Am Samstag werden bis fünf Uhr abends Vorträge gehalten, und am Sonntag ist ein gemeinsames Mittagessen der Teilnehmer angesetzt.« Sie atmete tief ein. »Ja, ich würde gern einmal wieder in die Berge fahren. Eine Gletschertour, sagst du? Super! Habe ich noch nie gemacht.«
»Na dann«, sagte Hans Rot befriedigt, als er von Lenis Zusage hörte, »ist ja alles gebongt.«
Fannis Mann war wieder in sein Büro ins Kreiswehrersatzamt gefahren, wo sein Stuhl bedenklich wackelte, seit offen über eine Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert wurde.
Was keine Rolle spielt, weil Hans sowieso über kurz oder lang in Pension geht. Er redet doch schon dauernd davon!
Daran wollte Fanni jetzt keinesfalls denken.
Sie spazierte zusammen mit Sprudel auf einem Wanderweg dahin, der in Bischofsmais (dem
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