Magermilch
eingestickt wurde.«
Schweigend legten sie die letzten Meter zur Schneide des Bergkammes zurück.
Ganz oben, wo der Weg nun fast eben westwärts verlief, fragte Fanni: »Und was ist mit Toni?«
Sprudel nickte. »Ich habe mich nach dem Gespräch mit Marco auch gefragt, warum man ihn für weniger verdächtig hält als Martha. Da ja die Bergsteigersachen der Brüder im selben Kellerraum aufbewahrt wurden, hatte er genauso wie Martha Gelegenheit genug, Willis Gurt zu präparieren. Und heißt es nicht, auch er habe Streit mit Willi gehabt? Aber irgendwie scheint es dieser Toni zu verstehen, Frankl und seine Leute von sich abzulenken. Marco hat ihn jedenfalls mit keinem Wort erwähnt.«
Urplötzlich standen sie vor dem Teufelstisch. Fanni warf einen missmutigen Blick darauf, dann sah sie auf ihre Armbanduhr. Ohnehin bald Zeit, zurückzugehen.
Doch zuvor erzählte sie Sprudel noch von ihrem Besuch bei Hannes. Vor allem davon, dass Hannes behauptet hatte, Toni Stolzer sei homosexuell und habe wechselnde Liebhaber.
Das, überlegte Fanni, als Sprudel schweigend über das Gehörte nachdachte, könnte natürlich zu den Spannungen zwischen den Brüdern geführt haben. Willi machte sich vielleicht Sorgen um die Firma. Hier bei uns auf dem Land hätte es den Stolzers womöglich das Rückgrat gebrochen, wenn Tonis Neigung publik geworden wäre.
Oder hatte Willi just davon erfahren, und es kam deshalb zu Streitigkeiten?
Fanni schüttelte unmerklich den Kopf. Sie waren Brüder, sind gemeinsam aufgewachsen. Willi muss von Tonis Homosexualität gewusst haben.
Aber solange alles im Geheimen ablief und der Schein durch Gisela gewahrt blieb, war es ihm egal!
Gisela!, schoss es Fanni durch den Kopf. Gisela war ja auf einmal weg gewesen! Hatte Toni daraufhin beschlossen, den Heimlichkeiten ein Ende zu machen?
Sich zu outen, wie man so schön sagt?
Könnte sein, dachte Fanni. Doch das wiederum war Willi nicht recht, und so kam es zu den Querelen.
Die Brüder entzweiten sich!
Willi drohte Toni damit, ihn aus der Firma zu werfen.
Da kam ihm Toni zuvor!
Fanni nickte still vor sich hin. Sie fand ihren Gedankengang recht logisch. Toni war verdächtig. So gesehen viel verdächtiger als Martha. Wie kam es bloß, dass Frankl ihn quasi nicht zur Kenntnis nahm?
Weil die beiden …?
Fanni hustete, als habe sie sich verschluckt.
»Schau«, sagte Sprudel.
Er stand mit dem Rücken zum Teufelstisch und sah schon eine ganze Weile in die Ebene hinunter.
Fanni trat neben ihn. Zu ihren Füßen lag die Kreisstadt Regen. Der gleichnamige Fluss gab sich durch ein Glitzern in der Sonne zu erkennen.
»Peinlich«, sagte Sprudel.
Fanni sah ihn verdutzt an.
»Ist es nicht peinlich«, fragte er, »dass mir nicht einfallen will, wohin der Regen fließt, in welches Gewässer er mündet?«
Fanni musste selbst eine Weile nachdenken. Plötzlich lachte sie laut auf. »Wohin soll er schon fließen? Nach Regens burg natürlich. Und dort bleibt ihm nichts anderes übrig, als in die Donau zu münden.«
Sprudel schlug sich an die Stirn. »Ich werde alt, vergesslich, zerstreut und immer dümmer.«
Lächelnd hakte ihn Fanni unter. »Solange du dich dran erinnerst, mein bester und treuester Freund zu bleiben, stört es mich nicht.«
Kopfschüttelnd trat Sprudel den Rückweg an.
»Gisela Stolzer zu vernehmen«, meinte er nach wenigen Schritten, »ist, finde ich, für die Ermittlungen wichtiger als je zuvor. Für Willis Schwägerin gilt ja in etwa das Gleiche wie für Martha und Toni – Gelegenheit, an den Gurt zu kommen, Kenntnis von Willis Plänen, eventuell vorhandenes Motiv.«
Dazu kommt noch die Idee, auf einer Lasche um die Anseilschlaufe Monogramme einsticken zu lassen, dachte Fanni, sagte jedoch nichts, weil Sprudel bereits fortfuhr: »Man weiß allerdings noch immer nicht, wo sie steckt. Offiziell hat Gisela ihren Wohnsitz nach wie vor in Deggendorf, das wurde vom Einwohnermeldeamt bestätigt.«
Fanni und Sprudel ließen eine Gruppe Jugendlicher passieren, die Bierflaschen in den Händen hielten und in den Wald hineingrölten. Als sie außer Hörweite waren, sagte Fanni: »Vielleicht ist es genau andersherum, als wir neulich dachten. Nicht Fritz Maurer hat versucht, mit Gisela anzubändeln, sondern Toni mit Fritz, und das ging Gisela über die Hutschnur.«
Hätte sich Gisela dann nicht Toni zur Brust genommen?
Fanni wedelte mit der Hand, als müsse sie eine Fliege verscheuchen. »Könnte das der Grund gewesen sein, warum sie sich von Toni
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