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Magermilch

Magermilch

Titel: Magermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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noch die Goschen zu.« Er warf den Rucksack ab und setzte sich auf einer Holzplanke nieder, die an der Südwand der Hütte entlanglief.
    Auch die anderen lehnten ihre Rucksäcke gegen die Hüttenwand und ließen sich auf die von der Sonne gewärmten Bretter fallen.
    Nur Rudolf verschwand durch die Tür ins Schutzhaus. Er müsse sich um die Nachtlager kümmern, rief er über die Schulter zurück.
    Wenig später folgten ihm Leni und Gunda, die sich bereit erklärt hatten, für die ganze Gruppe Getränke zu organisieren. Sie kehrten mit zwei Tabletts voller Gläser und Flaschen und mit Rudolf zurück.
    Dann fläzten sie alle faul in der Sonne.
    Toni hatte sich eine handtuchgroße Grasfläche ausgesucht, die etwas abseits lag, und sich darauf ausgestreckt. Martha und Fritz hockten nebeneinander auf der Planke an der Hüttenwand und unterhielten sich leise. Ab und zu schnappte Fanni Satzfetzen wie »zwei Lieferungen nach Tschechien« oder »Ausschreibung für Turnhalle« auf.
    Sie und Leni saßen ein Stück weiter unten auf der Planke, hatten die Köpfe an die Hüttenwand gelehnt und die Augen geschlossen. Gunda und Elvira hechelten Deggendorfer Geschäftsleute durch. Hannes schnarchte leise.
    Es war gegen vier, als Rudolf aufstand und vorschlug: »Ich denke, unsere Neulinge sollten mal das Gehen mit Steigeisen ausprobieren.«
    Fanni stimmte ihm zu, bevor Hannes wach genug war, um einen Spruch wie »Gehen geht immer gleich – auch mit Steigeisen« vom Stapel zu lassen. Sie war selbst schon auf den Gedanken gekommen, dass es weder Leni und Fritz noch den alten Hasen schaden würde, ein paar grundlegende Techniken zu üben. Bereits bei der Ankunft hatte sie einen schneebedeckten Hang ausgemacht, der sich in nur wenigen Metern Entfernung hinter der Hütte erhob und sich ideal zum Trainieren eignete.
    Sie fing von Rudolf einen dankbaren Blick auf, bevor er anordnete: »Der Kursus für Steigeisengehen und Anseiltechnik beginnt in zehn Minuten. Die Teilnahme ist Pflicht.«
    »Sturzübungen«, meldete sich Hannes plötzlich lautstark. »Wenn wir uns schon anschirren, dann machen wir auch Sturzübungen!«
    Rudolf schüttelte den Kopf. »Sturzübungen! Unsinn.« Er wandte sich ab. Doch gleich darauf drehte er sich wieder um und sagte: »Wir üben das Gehen am Fixseil. Dabei kann sich ja jeder mal hinfallen lassen, um herauszufinden, wie es sich anfühlt, wenn sich die Prusikschlinge straff zieht.« Er begann, die Schutzhüllen von den Zacken seiner Steigeisen zu pflücken.

    Die paar Seilknoten, mit denen auch der Sonntagsbergsteiger vertraut sein sollte, hatten sich Leni und Fritz schnell angeeignet. Und dass man mit Steigeisen breitbeinig geht, um mit den Zacken nicht im eigenen Hosensaum hängen zu bleiben, brauchte ihnen niemand zu erklären. Sie stapften bereits behände den Abhang hinauf und hinunter.
    »Ich bau jetzt den Standplatz«, kündigte Hannes an.
    Fanni folgte ihm zu einer Stelle, wo die Hangneigung auf gut zwanzig Metern Länge nach ihrer Schätzung mehr als fünfunddreißig Grad betrug, und sah ihm zu, wie er ein Stückchen oberhalb der Steilflanke zwei Eisschrauben im Abstand von ungefähr sechzig Zentimetern schräg übereinander in das von einer dünnen Schneeschicht bedeckte Gletschereis trieb.
    Versuchsweise hieb Fanni ihre Pickelhaue in den Hang. Sie rutschte ab. »Wenn man sich richtig fallen lässt, wird man sich nicht halten können«, meinte sie.
    »Dafür bau ich ja den Standplatz und häng das Fixseil ein«, entgegnete Hannes. »Damit uns keiner davonsegelt.«
    Fannis Blick wanderte den Hang hinunter und folgte seinem sanften Auslauf bis zu einem mit kleinen Felsen durchsetzten Erdhügel hinter der Hütte.
    »Genau«, sagte Hannes, der sie beobachtet hatte. »Da unten wär sowieso Schluss. Aber wir wollen ja nicht riskieren, dass sich einer den Schädel aufschlägt. Außerdem soll der Spaß eine Übung für den Ernstfall sein – mit allem Drum und Dran.«
    Er hatte bereits eine Bandschlinge, die er mit einem Knoten in einen großen und einen kleineren Abschnitt unterteilt hatte, an den Eisschrauben fixiert und in dem kleinen Schlingenabschnitt einen Karabiner eingehängt. Die Vorrichtung bildete ein etwas windschiefes Dreieck.
    »Reihenschaltung«, erklärte Hannes wichtigtuerisch. »Das Kräftedreieck ist nämlich heutzutage passé.«
    Kraft in Reihe, Kraft über Eck, als ob so was nicht egal wäre, dachte Fanni recht laienhaft, Hauptsache die Eisschrauben halten, der Karabiner geht nicht auf, die

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