Magermilch
versteht sich.
Am Sonntag kommen Hans und ich aus Klein Rohrheim zurück, überlegte Fanni, während sie auf dem Weg zum Friseur mit Max die Deggendorfer Straße entlanggondelte. Und dann ist Montag. Den werde ich mit Sprudel im Hütterl verbringen, den ganzen Montag – jedenfalls die Zeit von zehn bis sechs. Hans fährt zu einer Fortbildungsveranstaltung nach Passau, was bedeutet, dass er mittags nicht heimkommt und abends später als sonst.
Sie parkte vor dem Geschäft der Böckls, weil an den Parkuhren an der Straße kein Platz frei war. Durch die Schaufensterscheibe konnte sie Hannes am Verkaufstresen erkennen. Er steckte in einem Walkjanker, der ihm viel zu klein war. Sie sah auch Jonas, der barsch abwinkte, einen Zettel nahm und etwas draufschrieb.
Ist ja auch kein Grund, sich derartig aufzuführen, dachte Fanni, während sie beobachtete, wie Hannes mit den Händen fuchtelte und schrie, dass er bis auf die Straße hinaus zu hören war.
»Meine Güte, Hannes«, murmelte sie, »die Joppe gibt es bestimmt auch zwei Nummern größer. Die muss halt umgetauscht werden.«
»… angemessenen Wettbewerb verlangen«, röhrte Hannes. »… und der Stadtrat …«
Fanni sperrte die Ohren auf.
»… krumme Touren …«, glaubte sie, Jonas zu vernehmen.
»Komm jetzt, Oma.« Max zupfte an ihrem Ärmel. »Zu welchem Friseur wollen wir denn?«
Fanni dachte, dass ihr Enkel höchstwahrscheinlich zu einem gehen wollte, bei dem die wenigsten Leute im Wartebereich saßen. Sie blickte die Straße hinauf. Zwei Querstraßen weiter lag der Salon Haarscharf, schick, modern, sehr beliebt, aber oft hoffnungslos überfüllt. Sie schaute die Straße hinunter, und da fiel ihr der Wagen von Hannes ins Auge. Hatte Hannes nicht neulich mit Friseurmeister Stein gesprochen, dessen Geschäft schräg gegenüber von Böckls Laden lag?
Stein ist im Stadtrat!
»Stein war immer ein großer Anhänger von Edmund Stoiber«, hatte Hans Rot neulich erwähnt, »und ein noch größerer Befürworter des Donauausbaus. Und er ist die größte Plaudertasche im gesamten Landkreis.«
Zielstrebig steuerte Fanni auf die andere Straßenseite, wo zwei Häuser weiter ein Schild mit der Aufschrift »Stein & Haare« den Eingang zum Friseursalon markierte.
Der Seniorchef kümmerte sich persönlich um Mäxchens Haarschnitt. Fanni stand daneben und suchte krampfhaft nach der passenden Einleitung für den anstehenden Small Talk.
Als ihr Blick aus dem Fenster fiel und an der Böckel’schen Ladentür hängen blieb, aus der ein wütender Hannes stapfte und drinnen einen kopfschüttelnden Jonas zurückließ, kam endlich der richtige Einfall.
»Mir scheint«, sagte sie, »hier bin ich ins Stadtratsviertel geraten.«
Stein deutete mit seiner Schere nach vis-à-vis. »Ja, Jonas ist unser jüngster. Und auf Draht ist der, mein lieber Schwan.«
»Hat er sich seine Sporen bereits verdient?«, fragte Fanni höflich lächelnd.
»Vorne kürzer?«
»Wie?«
»Soll ich die Haare von Ihrem Enkel vorne noch kürzer schneiden?«
Fanni zog Max zurate und erntete ein schrilles »Nein«.
Der Friseurmeister begann, um Mäxchens linkes Ohr herumzuschnippeln. »Der Jonas, ja, der ist schon recht auf dem Stadtratsposten. Solche wie ihn sollte es mehr geben.« Er ließ die Schere für einen Moment in der Luft hängen, schien mit sich zu ringen. Dann schnippelte er eilig weiter und sagte gedämpft: »Seit einiger Zeit haben wir nämlich ein Problem im Stadtrat.«
Fanni wartete. Der Friseurmeister schnippelte.
Nach einer Weile sagte sie: »Es geht wohl um Bestechung.«
Stein nickte. »Der – ähm – jemand versucht, Stadträte zu schmieren, um an Aufträge zu kommen. Bei einigen Kollegen scheint er sogar Erfolg gehabt zu haben, andere – wie Jonas – ließen ihn abblitzen. Jonas hat die Sache während einer Sitzung zur Sprache gebracht. Daraufhin ist ein heftiger Streit ausgebrochen.«
Stein verstummte wieder. Doch bevor Fanni nachhaken konnte, fuhr er fort: »Einer der Räte hat verlangt, die ganze Affäre schonungslos an die Öffentlichkeit zu bringen – alles und jeden beim Namen zu nennen.«
»Schweres Geschütz«, sagte Fanni, weil Stein wieder in Schweigen verfiel. Er ließ Mäxchens Haare durch die Zähne eines groben Kammes gleiten, schnitt da und dort ein paar Fransen ab.
Nach einer Weile sagte er: »Es würde einige Räte das Mandat kosten, und einer eingesessenen Firma, die bisher tadellos dastand, würde es schwer schaden.«
»Es würde sie ruinieren«,
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