Magermilch
liebe Fanni, erwarte ich die richtige Schlussfolgerung von dir.«
Sie nickte ihm zu. »Du hättest deinen eigenen schönen Mordplan verschandelt, wenn du letztendlich dabei gewesen wärst, als Willi abstürzte. Denn der Clou an diesem Plan sollte ja wohl sein, dass sich der Mörder zur eigentlichen Tatzeit weit weg vom Opfer befand. Außer …« Sie dachte darüber nach.
»Komm mir jetzt nicht mit ausgeklügelten Theorien, Fanni«, unterbrach Toni ihren Gedankengang. »Es führt schlichtweg zu weit, zu unterstellen, der Mörder hätte sich gerade dadurch unverdächtig machen wollen, dass er sich gemeinsam mit Willi im Klettergarten befand. Und das …«
»… sieht der Herr der Flüche auch so.«
»So ist es.« Toni stand auf, um den Wasserkrug neu zufüllen.
Und du solltest es genauso sehen, Fanni Rot! Übrigens, gibt es nicht noch etwas durchaus Überzeugendes, das Toni entlastet?
Ja, dachte Fanni, es gibt noch etwas. Ihr war wieder eingefallen, wie Toni auf dem Weg zum Defreggerhaus gesagt hatte, Willi hätte sich mit einem reaktionsschnellen Griff in die Beinschlingen des Gurtes womöglich retten können. Diese Möglichkeit konnte Toni nur deshalb in Betracht ziehen, weil er davon ausging, dass der Verschluss des Gurtes manipuliert und folglich gerissen war. In einem solchen Fall wäre der Gurt an Willis Beinen entlang weggerutscht, und er hätte sich – theoretisch – noch daran festklammern können. So aber war das wirkliche Geschehen nicht abgelaufen. Die Anseilschlaufe war präpariert gewesen. Sie war gerissen, und Willi war mitsamt seinem Gurt abgestürzt.
Toni hat sich wohl von Anfang an vorgestellt, der Gurt hätte sich geöffnet, und ist gar nicht auf den Gedanken gekommen, es könnte anders gewesen sein.
Er wusste nicht, wie es wirklich war, dachte Fanni.
Einer aber wusste es!
Als Toni an den Tisch zurückkam, sagte er: »›Himmelherrgottsakra!‹, hat der Kommissar am Ende des Verhörs geflucht, ›Himmelherrgottsakra, dann war’s doch die Witwe‹.« Toni blinzelte Fanni zu. »Aber wir beide wissen, dass Martha ihren Willi geliebt hat.«
»Hast du schon einmal daran gedacht«, fragte Fanni, »dass Gisela Willis Gurt präpariert haben könnte, bevor sie – ähm – verschwand?«
Toni nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Sie hatte absolut keinen Grund dazu.«
»Aber es war Willi doch sicher nicht recht, dass sie Knall auf Fall aus der Firma ausscheiden wollte?«, entgegnete Fanni. »Wenn ich bloß an all die Werbebroschüren denke. Es gibt ja niemanden, der ihren Platz einnehmen könnte. Martha hat sich schon immer vor öffentlichen Auftritten gedrückt. Giselas Abgang muss für euch nicht leicht zu schlucken gewesen sein.«
»Willi hat unsere Scheidung tatsächlich viel mehr getroffen als mich.« In Tonis Stimme schwang Sarkasmus. »Er hat Gisela bekniet, ihren Entschluss zu überdenken, hat ihr alle möglichen Offerten gemacht – eine eigene Penthousewohnung am Perlasberg beispielsweise.« Ernst fuhr er fort: »Aber Willi hat meine Frau weder bedroht noch sonst wie unter Druck gesetzt – und selbst wenn.«
Toni sah Fanni prüfend an. »Würdest du es Gisela wirklich zutrauen, so einen hinterfotzigen Mord zu begehen? Sag ehrlich.«
Fanni schwieg und starrte in die leere Bratpfanne.
Toni wartete.
»Mein Gott, Toni«, platzte Fanni heraus. »Abgesehen davon, dass ich Gisela seit Jahren nicht mehr gesehen habe, hatte ich auch früher nie einen richtigen Draht zu ihr. Es kam mir immer so vor, als würde sie Filmrollen spielen – alles, von Sissi bis zum Bondgirl.«
»Ihr großes Vorbild war Sophia Loren …«, begann Toni.
»Eben«, unterbrach ihn Fanni beinahe heftig. »Ein Leinwandstar.«
Toni verstummte. Als er wieder zu sprechen anfing, erweckte er den Eindruck, als würde er mit dem Korkuntersetzer reden, auf dem sein Weinglas stand: »Gisela ist egoistisch und gleichzeitig naiv. Sie ist rücksichtslos und gleichzeitig leichtgläubig. Aber heimtückisch ist sie nicht.«
»Mich würde interessieren, wo sie ist«, sagte Fanni.
Darauf blieb Toni die Antwort schuldig.
»Warum verdächtigt eigentlich niemand Fritz Maurer, unseren Geschäftsführer?«, fragte er nach einer Weile.
Fanni sah ein wenig verwirrt aus, als sie entgegnete: »Weil – ganz objektiv gesehen – so einiges dagegenspricht, dass er es getan hat. Erstens wäre er nur schwer an Willis Gurt gekommen. Zweitens dürfte er wenig Ahnung von alpinen Sicherungstechniken haben. Drittens sollte ihm
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