Magermilch
antwortete Fanni.
Giselas Mutter nickte traurig. »Geändert hätte es ja nichts.« Sie stemmte sich hoch und bog den Rücken gerade. Dann lud sie Fanni ein, mit ihr ins Haus zu kommen.
»Ein Kommissar war bei mir«, sagte sie, als sie sich am Küchentisch gegenübersaßen. »Er hat mir alles erzählt.« Sie seufzte. »Die Polizei sucht nach meiner Tochter.«
»Nach Gisela wird jetzt gefahndet?«, fragte Fanni erschrocken.
Frau Brunner schüttelte den Kopf. »Nicht so wie nach einem Verbrecher. Nein, so nicht. Aber Gisela ist eine sehr, sehr wichtige Zeugin, sagt der Kommissar. Er hat mir gesagt, ich solle im Tagblatt eine Anzeige aufgeben, in der ich sie bitte, sich bei mir zu melden. Sie könnte hier in der Nähe Freunde haben, meint er. Schließlich werden ihre Unerhaltszahlungen nach Stockheim überwiesen.«
An die Alfa Filmwelt mit Firmensitz in Mainz, dachte Fanni. Sie hatte schon mehrmals eine Nummer angerufen, die sie nach ihrem Gespräch mit dem Stockheimer Filialleiter der Sparkasse bei der Telefonauskunft erfragt hatte. Jedes Mal hatte eine automatische Stimme sie gebeten, ihren Namen und ihre Telefonnummer aufs Band zu sprechen, und hatte angekündigt, man würde sie kontaktieren. Aber jedes Mal hatte Fanni wortlos wieder aufgelegt.
Klugerweise! Was wenn Hans Rot so einen Rückruf entgegengenommen hätte?
»Die Anzeige ist heute erschienen«, hörte sie Frau Brunner sagen.
»Aber gemeldet hat sich bis jetzt niemand«, stellte Fanni fest.
»Gisela ist wie vom Erdboden verschluckt«, erwiderte Frau Brunner bedrückt. »Das Hoffen auf Nachricht von ihr macht mich mürbe.« Sie räusperte sich. »Obwohl ich es ja eigentlich gewohnt bin, auf ein Lebenszeichen von meiner Tochter zu warten.«
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann fragte Frau Brunner, wie Martha den Tod ihres Mannes verkrafte.
»Sie arbeitet viel im Betrieb«, antwortete Fanni, »das lenkt sie wenigstens vom Grübeln ab.«
»Sicher nicht leicht für Martha und Toni, Stolzer und Stolzer plötzlich allein zu leiten.«
»Bestimmt nicht«, antwortete Fanni. »Zumal es hinten und vorne Schwierigkeiten gibt.« Sie berichtete von der Stolzer’schen Niederlassung in Wörgl, die brachlag, von gehäuften Reklamationen, von dem harten Wettbewerb, den Firmen heutzutage auszutragen hatten, und davon, mit welchen Mitteln er mancherorts geführt wurde.
Frau Brunner hörte zu, wirkte interessiert und schien sich, während Fanni redete, ein wenig zu entspannen.
Was so ein bisschen Klatsch und Tratsch nicht alles vermag!
Als es Zeit war zu gehen, sagte Fanni: »Was ich noch fragen wollte, Frau Brunner: Wie heißt dieser Nachbarsjunge noch mal? Ich meine den, der mit Johann, dem Enkel Ihrer Tante Doris, befreundet war.«
Giselas Mutter sah sie einen Moment lang verwirrt an, dann fiel offenbar der Groschen. »Ach, Frau Rot, Sie sprechen von Magermilch.«
»Ja, Magermilch«, wiederholte Fanni. »Und wie ist sein richtiger Name?«
Frau Brunner schaute nun noch verwirrter drein als eben. »Ich fürchte, ich entsinne mich nicht.«
Da sah sich Fanni zu einer Erklärung genötigt. »Es könnte wichtig sein, Frau Brunner. Magermilch könnte vielleicht mit Gisela in Verbindung stehen. Sein auffälliger roter Wagen ist mir womöglich schon in Deggendorf untergekommen, auf dem Kundenparkplatz der Stolzers. Glauben Sie, die beiden kennen sich?«
Frau Brunner schüttelte den Kopf. »Gisela war ja nicht oft hier und nie länger als einen Tag. Magermilchs Wagen sehe ich auch nur dann und wann mal vorbeifahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die beiden je über den Weg gelaufen sind.«
»Und Sie kommen wirklich nicht auf seinen richtigen Namen?«, drängte Fanni.
Frau Brunner dachte lange nach, legte die Stirn in Falten, murmelte vor sich hin. Dann schüttelte sie wieder den Kopf.
»Schade«, sagte Fanni und erhob sich.
Auf dem Weg zurück zum Sportplatz entschloss sie sich, nun doch zur Kürbisprämierung zu gehen. Halb Stockheim musste ja bei diesem Ereignis anwesend sein, und einer von den Stockheimern würde wohl in Gottes Namen wissen, wie der Kerl hieß, den alle Magermilch nannten.
Da wirst du womöglich ganz schön herumfragen müssen!
Das werde ich tun, dachte Fanni, und zwar ohne große Rücksicht auf Umgangsformen. Und wenn ich mich am Montag mit Sprudel treffe, werde ich die Antwort parat haben.
Bei ihrer letzten Verabredung vergangenen Mittwoch hatten sie das Treffen am Montag bereits vereinbart. »Um zehn Uhr im Hütterl«, hatte
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