Maggie O´Dell 01 - Das Boese
großartig.“
„Was haben wir sonst noch für Spuren?“
„Spuren?“
„Oder Beweisstücke - Gegenstände, Stofffetzen oder Stücke von Seil. Konnte das FBI irgendwelche Reifenspuren sichern?“
Wieder die Reifenspuren. Wie oft würde man ihn noch an seinen Fehler erinnern?
„Wir haben einen Fußabdruck gefunden.“
Sie sah ihn durchdringend an, und er entdeckte einen Hauch Ungeduld in ihrem Mienenspiel.
„Einen Fußabdruck? Verzeihen Sie, Sheriff, ich möchte das nicht anzweifeln, aber wie konnten Sie einen einzelnen Fußabdruck entdecken? Soweit ich das sehe, müssen hier Dutzende herumgelaufen sein.“ Mit einer ausladenden Handbewegung deutete sie auf die vielen Fußspuren im Schlamm. „Woher wollen Sie wissen, dass der Abdruck, den Sie fanden, nicht von Ihren Männern oder vom FBI stammt?“
„Weil keiner von uns barfuß war.“ Er wartete nicht auf ihre Reaktion, sondern ging näher zum Fluss. Er konnte sich gerade noch an einem Ast festhalten, als er ausglitt und ein Stück das Flussufer hinabrutschte. Als er aufblickte, stand Agentin O‘Dell über ihm.
„Genau hier.“ Er deutete auf die Zehenabdrücke im Schlamm, die durch Reste von Abgusspuder betont wurden.
„Es gibt keine Garantie, dass der Abdruck vom Täter stammt.“
„Wer sonst sollte verrückt genug sein, hier ohne Schuhe herumzulaufen?“
Sie hielt sich am selben Ast fest und schlitterte zu ihm hinunter. „Würden Sie mir Ihre Hand geben?“ Sie streckte ihm die Hand hin. Er nahm sie und hielt sie fest, während sie sich weit über den Abdruck beugte, ohne ins Wasser zu fallen.
Ihre Hand lag klein und weich in seiner. Doch sie griff beherzt zu. Ihr Jackett klaffte auf, und er wandte den Blick ab. Junge, Junge, sie war wirklich nicht wie ein FBI-Agent gebaut.
Nach ein paar Sekunden zog sie sich wieder hoch und ließ seine Hand los. Sobald sie festen Boden unter den Füßen hatte, machte sie Notizen in ihr Buch.
Nick blickte zu den dicken grauen Wolken hinauf und wünschte sich, woanders zu sein. Die letzten achtundvierzig Stunden hatten ihn erschöpft. Seine Muskeln schmerzten vom Zehn-Kilometer-Rennen, das er heute Morgen absolviert hatte, er fühlte sich inkompetent, und ihm wurde schlecht, wenn er an Danny Alverez‘ weißen Körper und die offenen, in den Himmel starrenden Augen dachte. Eine Schar von Schneegänsen flog über sie hinweg. Nick ertappte sich bei dem Gedanken, was Danny wohl zuletzt gesehen hatte? Hoffentlich Gänse, etwas Ruhiges, Vertrautes.
„Die Stichwunden und Einschnitte in der Brust des Jungen waren genau wie bei den Morden von Jeffreys“ , sagte er und zwang sich, Agentin O‘Dell wieder anzusehen. „Woher konnte jemand diese Informationen haben?“
„Seine Hinrichtung war erst kürzlich. Im Juli, nicht wahr?“
“Ja.“
„Vor einer Hinrichtung rollen die örtlichen Medien die Bluttat oft noch einmal auf. Einzelheiten könnte jemand aus solchen Berichten erfahren haben.“
„Die guten alten Medien“ , sagte Nick und dachte an Christines Artikel.
„Jemand könnte sich auch Informationen aus Gerichtsakten besorgt haben. Nach Abschluss des Prozesses sind sie der Öffentlichkeit zugänglich.“
„Sie glauben also, wir haben es mit einem Nachahmungstäter zu tun?“
„Ja. Dass so viele Details zufällig übereinstimmen, ist unwahrscheinlich.“
„Warum kopiert jemand einen solchen Mord? Holt er sich seinen Kick dabei?“
„Ich fürchte, das kann ich Ihnen nicht sagen.“ Agentin O‘Dell blickte von ihrem Notizbuch auf und sah Nick in die Augen. „Ich kann Ihnen aber sagen, dass dieser Täter es wieder tun wird. Und wahrscheinlich schon bald.“
12. KAPITEL
Die Leichenhalle des Krankenhauses lag im Keller, wo jedes Geräusch von den weißen Steinwänden zurückhallte. Wasserleitungen summten, und ein Ventilator drehte sich brummend. Die Fahrstuhltür schloss sich hinter Nick und Agentin O‘Dell, nachdem sie ausgestiegen waren. Sie hörten ein Zerren und Kratzen, als sich die Seile spannten und die Kabine wieder hinaufbeförderten.
Sheriff Morrelli schien auf Zehenspitzen zu gehen, damit die frisch geputzten Stiefelabsätze auf dem Fliesenboden nicht so klapperten. Maggie streifte ihn mit einem Seitenblick, während sie nebeneinander her gingen. Er tat so, als sei dies alles Routine für ihn, doch er war leicht zu durchschauen. Unten am Fluss hatte sie ein-, zweimal bemerkt, wie er zusammengezuckt war, was seine überlegene Haltung Lügen strafte.
Dennoch hatte er darauf
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