Maggie O´Dell 01 - Das Boese
und ich glaube, Lucy Burton kennen Sie schon. Es tut mir wirklich Leid. Aber wir sind hier im Moment alle ein bisschen nervös. Wir hatten ein paar sehr lange Nächte, und es gab eine Menge herumschnüffelnder Reporter.“
„Jedenfalls haben Sie sich eine interessante Tarnung zugelegt.“ Sie unterzog Nick Morrelli derselben Musterung wie er sie. Als sie ihm wieder in die Augen sah, entdeckte sie einen Hauch Befangenheit.
„Ich bin gerade aus Omaha zurückgekommen. Ich habe beim Corporate Cup Lauf mitgemacht.“ Eifrig bemüht, seinen Aufzug zu erklären, als hätte sie ihn bei etwas Verbotenem ertappt, verlagerte er das Gewicht befangen von einem Bein auf das andere. „Es ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung für die ,American Lung Association‘ ... vielleicht war es auch die ,American Heart Association‘. Ich kann mich nicht erinnnern. Jedenfalls war es für einen guten Zweck.“
„Sie schulden mir keine Erklärung, Sheriff Morrelli“ , erwiderte sie, jedoch erfreut, dass sie ihn zu einer veranlasst hatte.
Einen Moment betretenes Schweigen. Schließlich räusperte Deputy Gillick sich. „Ich muss mich wieder auf den Weg machen.“ Diesmal lächelte er Maggie an. „Es war mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen, Miss O‘Dell.“
„Agentin O‘Dell“ , korrigierte Nick ihn.
„Ja, richtig, entschuldigen Sie.“ Betreten durch die Belehrung, hatte der Deputy es jetzt eilig, zum Ausgang zu kommen.
„Ich bin sicher, wir sehen uns wieder“ , gab Maggie noch eins drauf.
„Lucy, rieche ich da frischen Kaffee?“ fragte Nick mit jungenhaftem Lächeln.
„Ich habe gerade eine Kanne aufgebrüht.“ Lucys Stimme klang jetzt zuckersüß und überaus feminin. Maggie lächelte vor sich hin, als die junge Frau ihre starre, autoritäre Haltung aufgab und losging, um dem gut aussehenden Sheriff mit sinnlichem Hüftschwung Kaffee zu holen.
„Würdest du Agentin O‘Dell bitte auch eine Tasse bringen?“ Er lächelte Maggie an, während Lucy sich zu ihr umdrehte und gereizt fragte: „Sahne oder Zucker?“
„Für mich bitte keinen, danke.“
„Wie wäre es stattdessen mit einer Cola?“ fragte er, um Freundlichkeit bemüht.
„Ja, das klingt schon besser.“ Der Zucker im Getränk half ihr vielleicht, den leeren Magen zu füllen.
„Vergiss den Kaffee, Lucy. Bitte zwei Dosen Cola.“
Lucy starrte Maggie voller Verachtung an. Von ihrer Begeisterung, den Sheriff bedienen zu dürfen, war nichts mehr zu spüren. Sie wandte sich ab, ging davon, und das Klappern ihrer hohen Absätze hallte durch den langen Korridor.
Da nur sie beide übrig waren, rieb Nick Morrelli sich wie fröstelnd die Arme. Ihm schien unbehaglich zu sein, und Maggie wusste, dass sie der Grund dafür war. Vielleicht hätte sie ihn vorher anrufen sollen. Sie war nun mal nicht gut in Etikette, aber schließlich wurde sie in Platte City, Nebraska, erwartet.
„Nach fast achtundvierzig Stunden Dienst hatten wir beschlossen, heute eine Pause zu machen.“ Wieder schien er bemüht, seinen Aufzug und die leere Abteilung zu rechtfertigen. „Ich habe Sie eigentlich erst morgen erwartet. Immerhin ist heute Sonntag.“
Maggie begann sich zu fragen, ob man ihn zum Sheriff ernannt oder gewählt hatte. In beiden Fällen war seinem jugendlichen Charme offenbar Vorrang gegeben worden vor Kompetenz.
„Meine Vorgesetzten gaben mir zu verstehen, dass der Zeitfaktor in diesem Fall sehr wichtig sein könnte. Sie halten den Leichnam doch für meine Untersuchung bereit, oder?“
„Ja, natürlich. Er ist...“ Nick Morrelli fuhr sich mit einer Hand über die Bartstoppeln. Maggie bemerkte eine kleine Narbe, eine gezackte weiße Linie auf einem ansonsten perfekten Kinn. „Wir haben ihn in die Pathologie des Krankenhauses gebracht.“ Er presste die Finger auf seine Augen.
Maggie fragte sich, ob er das aus Erschöpfung tat, oder um die Bilder loszuwerden, die ihn vermutlich im Schlaf verfolgten. In dem Bericht stand, dass Nick Morrelli den Leichnam gefunden hatte.
„Wenn Sie wollen, kann ich Sie dorthin fahren“ , fügte er hinzu.
„Danke. Ja, da muss ich hin. Aber zunächst möchte ich, dass Sie mich woandershin fahren.“
„Sicher. Wahrscheinlich wollen Sie in Ihr Hotel. Bleiben Sie hier in der Stadt?“
„Das meinte ich eigentlich nicht. Ich möchte den Tatort sehen.“ Sie sah Nick Morrelli erbleichen. „Ich möchte, dass Sie mir zeigen, wo Sie den Leichnam gefunden haben.“
11. KAPITEL
Der Weideweg löste sich in zertrampeltem Gras und
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