Maggie O´Dell 01 - Das Boese
nicht viel gewehrt haben konnte, hätte er sich doch zweifellos genügend bewegt, um schmutzig zu werden.
„Es sieht fast aus, als ob der Körper gereinigt worden ist“ , sagte sie vor sich hin. Als sie aufblickte, stand Sheriff Morrelli neben ihr.
„Wollen Sie sagen, der Mörder hat den Leichnam gewaschen, nachdem er fertig war?“
„Sehen Sie sich die Einschnitte in der Brust an.“ Sie zog den Handschuh wieder über und fuhr vorsichtig unter einen Hautlappen. „Hierfür hat er ein anderes Messer benutzt, eines mit einer Sägekante. Es hat die Haut an einigen Stellen gezerrt und eingerissen. Sehen Sie hier?“ Sie fuhr mit der Fingerspitze über die eingerissene Haut.
„Das hätte geblutet. Da hätte Blut sein müssen, zumindest am Anfang. Und diese Stichwunden sind tief.“ Sie schob den Finger noch einmal hinein, um es ihm zu zeigen. „Wenn man ein Loch von der Größe und Tiefe macht, blutet es heftig, bis man es stopft. Das hier, da bin ich mir fast sicher, ging ins Herz. Wir reden hier von der Verletzung großer Gefäße und starken Blutungen. Und die Kehle ... Sheriff Morrelli?“
Nick lehnte sich gegen den Tisch, und sein Gewicht schob den Stahltisch kreischend über die Fliesen. Maggie bemerkte, dass sein Gesicht kalkweiß war, und ehe sie sich versah, sackte er gegen sie. Sie umfasste seine Taille, aber er war zu schwer. Ihre Knie gaben nach, und sie sank mit ihm zu Boden, da er mit dem ganzen Gewicht gegen ihre Brust fiel.
„Morrelli, he, sind Sie okay?“
Sie kroch unter ihm hervor und lehnte ihn stützend gegen ein Tischbein. Er war bei Bewusstsein, aber seine Augen blickten glasig. Sie stand auf und sah sich nach einem Handtuch um, das sie anfeuchten konnte. Doch trotz der guten Ausrüstung des Labors gab es weder Tücher, noch Kittel, noch Handtücher. Sie erinnerte sich, einen Dosenautomaten neben dem Fahrstuhl gesehen zu haben. Sie suchte Kleingeld heraus, lief zum Automaten und kehrte zurück, ehe Morrelli sich bewegt hatte.
Seine Beine lagen abgeknickt unter ihm, sein Kopf ruhte am Tischbein. Wenigstens wirkte sein Blick schon konzentrierter, als sie sich mit der Dose neben ihn kniete.
„Hier“ , sagte sie und reichte sie ihm.
„Danke, aber ich habe keinen Durst.“
„Nicht zum Trinken, für Ihren Nacken. Hier ...“ Sie griff ihm vorsichtig ins Genick und zog seinen Kopf sacht nach vorn. Dann legte sie ihm die kalte Coladose ins Genick. Nick Morrelli lehnte sich an sie. Noch ein paar Zentimeter, und sein Kopf ruhte zwischen ihren Brüsten. In seinem gegenwärtigen Zustand schien er sich dessen jedoch nicht bewusst zu sein. Vielleicht war das Macho-Ego ja mit einer sensiblen Natur gepaart. Sie wollte soeben die Hand wegziehen, als Nick Morrelli danach griff und sie mit seinen langen kräftigen Fingern umschloss. Er sah sie an, und seine kristallblauen Augen blickten wieder normal.
„Danke.“ Es klang ein wenig verlegen, trotzdem wich er ihrem Blick nicht aus. Er war zwar angeschlagen, doch wenn sie sich nicht sehr täuschte, flirtete er trotzdem mit ihr.
Als Reaktion darauf riss sie die Hand weg, abrupter und heftiger als nötig. Genauso abrupt streckte sie ihm die Dose hin, wich auf Knien zurück und sorgte für Abstand.
„Ich kann nicht glauben, dass mir das passiert ist“ , sagte Nick. „Es ist mir ein bisschen peinlich.“
„Das muss es nicht sein. Ich habe eine Menge Zeit auf dem Boden verbracht, ehe ich mich an Autopsien gewöhnt hatte.“
„Wie gewöhnt man sich daran?“ Er sah ihr wieder in die Augen, als suche er dort nach einer Antwort.
„Ich weiß nicht genau. Man koppelt sich irgendwie von den Geschehnissen ab und versucht nicht darüber nachzudenken.“ Sie wandte sich ab und stand rasch auf. Sie mochte nicht Ziel seines forschenden Blickes sein. Obwohl sie das als schlichte Masche, als hinterhältiges Werkzeug seines Charmes entlarvte, fürchtete sie, er könnte tatsächlich etwas von der Schwäche entdecken, die sie so sorgfältig verbarg. Noch vor Monaten hätte es nichts zu verbergen gegeben. Albert Stucky hatte ihr jedoch die eigene Verletzbarkeit vor Augen geführt. Und dieses Bewusstsein war ihr immer noch so präsent, dass man es ihr vielleicht anmerkte.
Ehe sie ihm hilfreich die Hand geben konnte, entknotete Nick Morrelli seine langen Beine und stand ohne zu schwanken auf. Abgesehen von der Fast-Ohnmacht, bewegte er sich sehr geschmeidig und selbstsicher, wie sie feststellte.
Er lächelte sie an, rieb sich mit der kühlen Coladose über
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