Maggie O´Dell 01 - Das Boese
pinkeln.
Er hörte sie singen und schnürte seine Tennisschuhe neu. Der Spalt in der Sohle war größer geworden. Bald würde er um neue bitten müssen, obwohl Mom sie sich nicht leisten konnte. Er hatte sie am Telefon sprechen hören und wusste, dass Dad das Geld schuldig geblieben war, das er jeden Monat zahlen musste, wie das Gericht es gesagt hatte.
Seine Mom sang eine Melodie aus Die kleine Meerjungfrau. Ihr jamaikanischer Akzent musste noch besser werden, obwohl sie den Film bestimmt so viele Male gesehen hatte wie er Krieg der Sterne. Das Telefon läutete. Sie würde es nicht hören. Also sprang er auf und ging an den Apparat.
„Hallo?“
„Timmy? Hier spricht Mrs. Calloway - Chads Mutter. Ist deine Mom da?“
Er wäre fast herausgeplatzt, dass Chad ihn zuerst geschlagen habe. Und wenn er etwas anderes behaupte, lüge er! Stattdessen erwiderte er: „Eine Minute, ich hole sie.“
Chad Calloway war ein Rüpel, aber wenn er Mom gebeichtet hätte, dass Chad ihm die blauen Flecke absichtlich beigebracht hatte, hätte sie ihm sicher das Fußballspielen verboten. Und jetzt hatte dieser blöde Kerl wegen seiner eigenen blauen Flecke wahrscheinlich gelogen.
Timmy klopfte leise an die Badezimmertür. Falls sie nicht antwortete, würde er Mrs. Calloway sagen, dass seine Mom im Moment nicht ans Telefon kommen könne. Die Tür ging jedoch auf. Das Herz fiel ihm geradezu in die Hose.
„Habe ich da das Telefon gehört?“ Sie kam heraus, duftete gut und zog eine Parfumwolke hinter sich her.
„Es ist Mrs. Calloway.“
„Wer?“
„Mrs. Calloway, Chads Mom.“
Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen an und wartete auf weitere Erklärungen.
„Ich weiß nicht, was sie will.“ Er zuckte die Achseln und folgte ihr zum Telefon, obwohl er immer noch pinkeln musste, jetzt nötiger denn je.
„Christine Hamilton. Ja, natürlich.“ Sie drehte sich zu Timmy um und formte mit dem Mund „Calloway?“ .
„Sie ist Chads Mom“ , flüsterte er.
„Ja, Sie sind Chads Mom.“
Er konnte nicht mitbekommen, was Mrs. Calloway sagte. Seine Mom ging hin und her, wie sie es meistens beim Telefonieren tat, und nickte gelegentlich, obwohl die Person am anderen Ende sie nicht sehen konnte. Ihre Antworten waren kurz, einige Male „hm“ und dann „j a, sicher“ .
Plötzlich blieb sie stehen und hielt das Telefon fester. Jetzt gings los. Er musste sich eine Geschichte zurechtlegen. Nein, Moment mal, er brauchte keine Geschichte. Die Wahrheit war, dass Chad ihn aufs Korn genommen hatte. Genauer gesagt, Chad hatte ihn verprügelt, und das ohne Grund, einfach so zum Spaß.
„Danke, dass Sie angerufen haben, Mrs. Calloway.“
Seine Mom legte das Telefon ab und starrte aus dem Fenster. Er konnte nicht feststellen, ob sie ärgerlich war. Sie durfte ihm das Fußballspielen nicht verbieten. Er war drauf und dran, sich zu rechtfertigen, als sie sich umdrehte und ihm zuvorkam.
„Timmy, einer deiner Mitspieler aus der Mannschaft wird vermisst.“
„Was?“
„Matthew Tanner ist gestern Abend nach dem Spiel nicht nach Haus gekommen.“
Dann hatte es gar nichts mit Chad zu tun?
„Einige der Eltern treffen sich heute Morgen im Haus von Mrs. Tanner, um ihr beizustehen.“
„Ist Matthew in Schwierigkeiten? Warum ist er nicht nach Haus gegangen?“ Er konnte nur hoffen, dass sie seine Erleichterung nicht bemerkte.
„Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst, Timmy. Aber erinnerst du dich an meinen Artikel über Danny Alverez?“
Er nickte. Wie könnte er den vergessen. Sie hatte ihn losgeschickt, um fünf zusätzliche Zeitungen zu kaufen, obwohl sie im Verlag so viele hätte bekommen können, wie sie haben wollte.
„Nun, wir wissen es noch nicht genau, deshalb möchte ich nicht, dass du Angst hast, aber der Mann, der Danny entführt hat, hat vielleicht auch Matthew mitgenommen.“
Seine Mom war besorgt. Die Linien um ihren Mund waren deutlicher, wenn sie sich Sorgen machte.
„Geh jetzt ins Bad, dann bringe ich dich zur Schule. Ich möchte nicht, dass du heute allein gehst.“
„Okay.“ Er rannte ins Bad. Armer Matthew, dachte er. Schade, dass es nicht Chad an seiner Stelle erwischt hatte.
17. KAPITEL
Christine konnte ihr Glück nicht fassen.
Während Timmy im Bad gewesen war, hatte sie mit Taylor Corby gesprochen, dem Nachrichtenredakteur, ihrem neuen Chef. Sie hatten am Wochenende mehrfach miteinander telefoniert. Obwohl sie bisher nichts miteinander zu tun gehabt hatten, kannte sie ihn genau. Ihre Kollegen in
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