Maggie O´Dell 01 - Das Boese
der Linken und einen Blick in den Augen, der verriet, dass er keine Skrupel kannte.
Die alte Frau stand vom Sofa auf, ging ruhig auf Tanner zu und nahm ihm das Messer aus der Faust. Dann überraschte sie alle, indem sie ihm ins Gesicht schlug.
„Verdammt, Mom, was soll das?“ Douglas Tanner stand völlig perplex da, rot im Gesicht, die Hände an den Seiten herabhängend.
„Mir reicht‘s, dass du ständig schlägst. Ich habe lange genug tatenlos zugesehen. Du hast kein Recht, deine Familie oder Fremde so zu behandeln. Und jetzt entschuldige dich bei Sheriff Morrelli, Douglas!“
„Ich scheiß drauf! Wenn er seine Arbeit gemacht hätte, wäre Matthew vielleicht noch am Leben.“
Nick rieb sich die Augen, sah jedoch weiterhin verschwommen. Er merkte, dass seine Lippe blutete, und wischte sie mit dem Handrücken. Während er seine Waffe einsteckte, lehnte er sich gegen das Buchregal und hoffte, das Klingeln im Kopf höre auf.
„Douglas, entschuldige dich! Möchtest du wegen Angriffs auf einen Polizeibeamten festgenommen werden?“
„Er muss sich nicht entschuldigen“ , sagte Nick und wartete, dass der Raum aufhörte sich zu drehen und seine Beine ihn wieder trugen. „Mrs. Tanner“ , fuhr er fort, stieß sich vom Buchregal ab und bemerkte dankbar, dass er sie trotz des Schwindels nicht doppelt sah. „Ich bedaure Ihren Verlust zutiefst. Und ich entschuldige mich, dass ich bis heute Morgen mit der Nachricht gewartet habe. Es geschah nicht aus mangelndem Respekt. Ich hielt es nur für besser, es Ihnen zu sagen, wenn Sie von Familie und Freunden umgeben sind, anstatt mitten in der Nacht an Ihre Tür zu klopfen. Ich verspreche Ihnen, wir finden den Mann, der Matthew das angetan hat.“
„Da bin ich sicher, Sheriff“ , sagte Douglas Tanner. „Aber wie viele Jungen werden vorher noch ermordet?“
41. KAPITEL
Niemand musste es ihm sagen. Timmy wusste es einfach. Matthew war tot, so wie Danny Alverez. Deshalb waren Onkel Nick und Agentin O‘Dell gestern Abend plötzlich gegangen. Deshalb hatte seine Mom ihn so früh zu Bett geschickt. Und deshalb war sie fast die ganze Nacht aufgeblieben und hatte auf ihrem neuen Laptop einen Artikel für die Zeitung geschrieben.
Er stieg früh aus dem Bett und hörte im Radio die Meldungen, welche Schulen geschlossen blieben. Es waren mindestens fünfzehn Zentimeter Schnee gefallen, und es schneite immer noch. Fantastischer Schnee, um mit Reifen zu rodeln, aber seine Mom hatte ihm verboten, etwas anderes als seinen alten langweiligen Plastikschlitten zu nehmen. Er war hell orange und fiel im Schnee auf wie ein Notarztwagen.
Er fand sie auf dem Sofa schlafend, eingerollt wie ein Ball und in Grandma Morrellis alte Decke gewickelt. Sie hatte die Fäuste unter das Kinn gestopft und wirkte völlig erledigt. Deshalb ließ er sie schlafen und schlich auf Zehenspitzen in die Küche.
Er stellte einen Nachrichtensender ein und nicht mehr diese sanfte Hintergrundmusik, die seine Mom liebte. Sie nannte das „Soft Rock“ . Manchmal benahm sie sich wirklich sehr alt. Der Sprecher las bereits die Liste der geschlossenen Schulen, und Timmy drehte die Lautstärke auf, um trotz der Frühstücksvorbereitungen etwas zu hören.
Anstatt sich einen Stuhl heranzuziehen, stellte er sich auf die unteren beiden Schrankschubladen, um an die Schüsseln zu gelangen. Er war es leid, so klein zu sein. Er war der kleinste Junge in der Klasse, sogar einige Mädchen überragten ihn. Onkel Nick hatte ihm gesagt, dass er wahrscheinlich einen Wachstumsschub machte und alle überholte. Doch für die nächste Zeit glaubte er nicht recht daran.
Überrascht entdeckte er eine noch geschlossene Packung „Cap‘n Crunch“ zwischen den „Cheerios“ und Rosinen-Nüssen. Entweder war es ein Sonderangebot gewesen oder seine Mom hatte sich vergriffen. Sie kaufte ihm nie das gute Zeug. Er öffnete rasch die Packung, ehe sie ihren Irrtum bemerkte, und schüttete sich das Schälchen voll, bis es überquoll. Den Uberschuss mampfte er trocken, um Platz für die Milch zu schaffen. Während er sie darübergoss, hörte er den Sprecher sagen: „In Platte City bleiben Grundschule und High School geschlossen.“
„Ja!“ stieß er leise aus und bremste seine Begeisterung, um keine Milch zu verschütten. Da morgen und übermorgen Lehrerversammlung war, hatten sie fünf Tage frei. Mensch, ganze fünf Tage! Der Campingausflug fiel ihm ein, und seine Freude bekam einen Dämpfer. Würde Pater Keller den Ausflug wegen des
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