Maggie O´Dell 01 - Das Boese
wieder aufnahm, während sie ihren Vater im Raum umhergehen sah. Als sie auf der Suche nach Nick ihren Vater am Telefon gehabt hatte, war sie verblüfft, aber auch erleichtert gewesen. Inzwischen ärgerte es sie, ihn durch das Haus stapfen zu sehen und die Deputys in Haus und Garten herumkommandieren zu hören. In seiner Gegenwart kam sie sich noch hilfloser vor. Plötzlich war sie wieder das unsichtbare kleine Mädchen, unfähig, etwas Vernünftiges zu tun.
„Warum legst du dich nicht hin, Liebes? Ruh dich aus“ , sagte er im Vorübergehen.
Sie schüttelte nur stumm den Kopf.
Da er offenbar nicht wusste, was er sonst tun sollte, ignorierte er sie.
Als Nick und Maggie in den überfüllten Wohnraum kamen, sprang Christine auf und wäre fast zu ihrem Bruder gelaufen. Sie beherrschte sich jedoch und blieb auf wackeligen Knien neben dem Sofa stehen. Sogar in ihrer Panik wäre es ihr peinlich gewesen, die Arme um ihren Bruder zu werfen. Als spüre er das, kam Nick auf sie zu und zog sie wortlos an sich. Bis jetzt hatte sie sich zusammengenommen - der starke kleine Soldat ihres Vaters. Plötzlich strömten jedoch die Tränen, und Schluchzer schüttelten ihren Körper. An Nick geklammert, weinte sie in den steifen Stoff seiner Jacke, und ihr Körper schmerzte von dem vergeblichen Versuch, sich zu beherrschen.
Nick drückte sie aufs Sofa und legte einen Arm um sie. Als Christine aufblickte, stand Maggie vor ihnen und reichte ihr ein Glas Wasser. Sie konnte kaum trinken, ohne das Wasser zu verschütten. Suchend sah sie sich nach ihrem Vater um und wunderte sich nicht, dass er fort war. Natürlich wollte er nicht Zeuge einer so schniefenden Zurschaustellung von Schwäche sein.
„Hast du wirklich überall gesucht?“ fragte Nick.
„Ich habe alle angerufen.“ Die verstopfte Nase veränderte ihre Stimme, und sie bekam kaum Luft. Maggie reichte ihr Papiertaschentücher. „Alle sagten dasselbe - nach dem Rodeln sei er heimgegangen.“
„Könnte er unterwegs irgendwo angehalten haben?“ fragte Maggie.
„Ich weiß nicht. Abgesehen von der Kirche gibt es von Cuttys Hügel bis hier nur Wohnhäuser. Ich habe versucht, im Pastorat anzurufen, aber dort nahm niemand ab.“ Sie sah die beiden einen Blick tauschen. „Was ist los?“
„Nichts“ , erwiderte Nick, doch sie wusste, das war gelogen. „Ich war bloß vorhin mit Maggie im Pastorat. Ich prüfe mal, was Dad meinen Männern befiehlt. Bin gleich zurück.“
Christine sah Maggie die Jacke ausziehen, ehe sie sich neben sie setzte. Die propere Agentin O‘Dell trug ein verwaschenes, ausgeleiertes Footballtrikot und Jeans. Ihr Haar war wirr und die Haut gerötet.
„Habe ich Sie aus dem Bett geholt?“ fragte Christine und bemerkte, dass Maggie die Frage peinlich war.
„Nein, keineswegs.“ Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und sah kritisch an sich hinab. „Ich war eigentlich auf der Heimreise ... zurück nach Virginia. Der Flug hatte Verspätung. Ich habe mein Gepäck schon aufgegeben.“ Sie sah flüchtig auf die Uhr. „Wahrscheinlich ist es jetzt gerade über Chicago.“
„Wenn Sie möchten, können Sie sich etwas von mir ausborgen.“
Maggie zögerte, und Christine war sicher, sie würde ablehnen, doch dann sagte sie: „Macht es Ihnen wirklich nichts aus?“
„Kein bisschen. Kommen Sie.“
Sie führte Maggie in ihr Schlafzimmer. Etwas tun zu können, gab ihr wieder Energie. Sie schloss die Schlafzimmertür, doch Stimmen und Schritte draußen blieben hörbar. Sie öffnete Schranktüren und Schubladen. Obwohl sie etwas größer war als Maggie, hatten sie, abgesehen von Maggies vollerem Busen, etwa dieselbe Größe.
„Bitte, bedienen Sie sich.“ Christine setzte sich auf die Bettkante, während Maggie zögerlich einen roten Rollkragenpulli aus der Schublade holte.
„Sie haben nicht zufälligerweise einen BH, den ich mir leihen kann?“
„Obere linke Schublade. Meiner könnte zu klein sein. Versuchen Sie es mit den Sport-BHs, die strecken sich mehr.“
Sie spürte Maggies Unbehagen. Auch sie war lange nicht mehr so eng mit einer Freundin zusammen gewesen, dass sie sich einen Ankleideraum geteilt hätten. Sie wollte schon gehen, doch ehe sie aufstand, schälte Maggie sich aus ihrem Trikot und zwängte sich in den BH. Er spannte über ihren Brüsten, und sie zupfte ihn zurecht. Christine bemerkte die Narbe auf Maggies Bauch, und Maggie sah es im Spiegel.
„Entschuldigung“ , sagte Christine, ohne den Blick abzuwenden. „Verzeihen Sie,
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