Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
stimmt.“
„Was ist aus der Agentin geworden?“
„Wenn ich mich nicht irre, biegt ihr Auto gerade auf den Parkplatz ein.“
„Scheiße. Im Ernst? Die arbeitet immer noch an dem Fall?“
„Sie hat keine andere Wahl.“
„Die hat Nerven.“
„So nennt man das wohl“, erwiderte Tully abgelenkt. „Wahrscheinlich kann Agentin O’Dell die Leiche für uns identifizieren.“
Er beobachtete O’Dell. Mit ihrem Abzeichen kam sie durch sämtliche Barrieren, aber nicht ohne interessierte Blicke auf sich zu ziehen. Er hatte mit vielen attraktiven Frauen in der Justiz und beim FBI gearbeitet, aber mit keiner wie O’Dell. Das Aufsehen, das sie erregte, war ihr weder unbehaglich, noch kokettierte sie damit, vielmehr beachtete sie es gar nicht, als wüsste sie nicht, dass sie es verursachte.
Im Näherkommen bemerkte Tully, dass sie eine kleine schwarze Tasche dabeihatte, keine Handtasche, mehr ein Köfferchen. Siedurften die Leiche nicht anrühren, ehe der Gerichtsmediziner da war. Hoffentlich hatte O’Dell nicht vor, diese Regel zu brechen.
Zur Begrüßung sah sie ihm nur in die Augen. Er erkannte ihre Erschöpfung und die innere Anspannung.
„Detective ...“ Tully zögerte, da er den Namen nicht kannte, „das ist Spezialagentin Maggie O’Dell.“
Sie gab ihm die Hand, und der Detective mit der rauen Schale wurde augenblicklich um einiges sanfter.
„Sam Rosen“, sagte er und half Tully bereitwillig mit dem Namen aus.
„Detective Rosen.“ O’Dell grüßte ihn höflich und professionell.
„Nennen Sie mich Sam.“
Tully widerstand der Versuchung, die Augen zu verdrehen.
„Sam hier ...“, er versuchte seinen Sarkasmus auf ein Minimum zu begrenzen, „ist vom Sheriff Department des Stafford County. Er war auch am ersten Fundort der Pizzalief... von Jessica Beckwith.“
„Ist das Opfer noch im Müllbehälter?“ O’Dell war voller Eifer und unfähig oder nicht bereit, es zu verbergen.
„Wir warten auf Doc Holmes“, sagte Sam ihr.
„Gibt es irgendeine Möglichkeit, einen Blick auf die Leiche zu werfen, ohne dass ich den Tatort verändere?“ Sie zog bereits ein Paar Latexhandschuhe aus dem schwarzen Köfferchen.
„Das ist wahrscheinlich keine gute Idee“, erwiderte Tully. Er wusste, dass sie sehen wollte, ob sie die Leiche erkannte. Ihr Blick war bereits auf den Container gerichtet, der einen guten Fuß höher war als sie. Sie schob sich an ihnen vorbei, um ihn sich genauer anzusehen.
„Wie konnten Ihre Männer hineinschauen, Sam?“
„Wir haben einen Wagen daneben gefahren. Davis ist auf dasDach gestiegen. Von dort hat er einige Polaroidfotos gemacht. Soll ich Sie Ihnen holen?“ Sam sah aus, als würde er alles tun, worum sie ihn bat. Tully konnte nur staunen. Und noch erstaunlicher war, dass O’Dell diese Hingabe nicht mal bemerkte.
„Sam, könnten Sie den Wagen vielleicht noch einmal herfahren lassen?“
Vielleicht war sie doch nicht so ahnungslos, wie es schien. Umgehend zitierte Detective Rosen einen der Uniformierten von der Absperrung herbei, ging ihm entgegen und erklärte gestenreich, was er von ihm wollte.
„Vielleicht ist sie es nicht“, sagte Tully, während Detective Rosen noch eifrig Anweisungen gab. Ihm war klar, dass O’Dell vermutete, die Tote sei Tess McGowan.
„Ich möchte bei der Autopsie assistieren. Glauben Sie, dass wir Dr. Holmes überreden können, sie noch heute Abend zu machen?“ Sie vermied es, ihn anzusehen, und beobachtete Rosen.
Es war das erste Mal, dass sie ihn um etwas bat, und Tully merkte, wie schwer ihr das gefallen war.
„Wir werden darauf bestehen, dass er es heute Abend macht“, versprach er.
Ruhig nebeneinander stehend, sahen sie zu, wie der Polizeiwagen neben den Metallbehälter fuhr. Tully hörte O’Dell tief durchatmen, als sie das schwarze Köfferchen abstellte und die Latexhandschuhe darauf legte. Detective Rosen erwartete sie an der Stoßstange des Wagens und wollte ihr hilfreich eine Hand geben, doch sie lehnte ab, schüttelte ihre Schuhe ab und kletterte barfuß und mühelos über den Kofferraum.
Sie hielt kurz inne, als bereite sie sich innerlich vor, trat vorsichtig auf das Dach des Wagens, reckte sich und blickte in den Abfallbehälter.
„Hat jemand eine Taschenlampe?“ rief sie.
Einer der herbeigeeilten Beamten, die zusahen, reichte ihr eine lange Stablampe. O’Dell leuchtete in den Container, und Tully verfolgte ihr Mienenspiel. Sie ließ sich Zeit, schwenkte den Lichtstrahl hin und her und versuchte sich
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