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Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Titel: Maggie O´Dell 02 - Das Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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den Fundort genau einzuprägen, da sie nichts anrühren durfte. Ihre Miene blieb beherrscht, unbeteiligt, und er konnte nicht sagen, ob sie die Tote als Tess McGowan erkannte.
    Schließlich stieg sie herunter, gab die Stablampe zurück, klopfte an das Fenster des Wagens, um sich beim Fahrer zu bedanken, und zog ihre Schuhe an.
    „Nun?“ fragte Tully und beobachtete sie genau.
    „Es ist nicht Tess McGowan.“
    „Welche Erleichterung!“ seufzte er.
    „Nein, wohl kaum.“
    Unter der Straßenlaterne erkannte er jetzt, wie aufgewühlt sie war, das Gesicht von Erschöpfung und Anspannung gezeichnet.
    „Es ist nicht Tess, aber ich kenne sie trotzdem.“
    Tully spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Er konnte sich nicht mal ansatzweise vorstellen, was in O’Dell vor sich ging.
    „Wer ist sie?“
    „Sie heißt Hannah. Sie ist Verkäuferin in Sheps Spirituosenladen. Sie hat mir gestern Abend geholfen, eine Flasche Wein auszusuchen.“
    Sie rieb sich mit einer Hand übers Gesicht, und Tully bemerkte ein leichtes Zittern ihrer Finger.
    „Wir müssen diesen gottverdammten Hurensohn aufhalten!“
    Tully hörte, wie das Zittern auch ihre sonst ruhige Stimme erfasste.

55. KAPITEL
    Tess geriet zunehmend in Panik, als das letzte Tageslicht alle Umrisse in Schatten verwandelte. Sie versuchte die innere Stimme zu ignorieren, die sie drängte, aus diesem Grab herauszuklettern und so weit zu laufen, wie sie es mit ihrem verletzten Knöchel schaffte. Gleichgültig, welche Richtung sie einschlug oder wohin sie gelangte, Hauptsache, sie war aus diesem Höllenloch mit seinen Knochen und verlorenen Seelen heraus.
    Sie saß neben der Frau namens Rachel und hörte ihre stockende Atmung. Bald würde sie nichts mehr sehen können, aber sie hatte die Decke über Rachel gebreitet, damit sie keine weitere Nacht schutzlos den Elementen ausgesetzt war.
    Tess konnte nicht sagen, warum sie zurückgekehrt und nicht längst abgehauen war. Natürlich würde sie Rachel am besten helfen, wenn sie Hilfe holte. Doch nachdem sie den Nachmittag die Wälder durchstreift hatte, wusste sie, dass es in der Nähe keine Hilfe gab. Sie hatte kaum den Rückweg gefunden, obwohl sie ihn mit Pinienzapfen markiert hatte. Inzwischen bezweifelte sie, ob es klug gewesen war zurückzukommen. Vielleicht hatte sie damit den eigenen Tod besiegelt? Doch sie brachte es nicht fertig, diese Frau allein zu lassen. Ob aus Verantwortungsgefühl oder purem Eigennutz konnte sie nicht mal entscheiden. Eine weitere Nacht allein hier draußen würde sie jedoch nicht ertragen.
    Sie hatte in dem Lederpumps mit dem abgebrochenen Absatz sogar etwas Wasser mitgebracht. Rachel musste unglaublich durstig sein, doch sie trank nur wenig. Das meiste floss ihr aus den zerschnittenen, geschwollenen Lippen über das blutunterlaufene Kinn.
    Seit sie ihren Namen gesagt hatte, sprach sie kaum noch. Manchmal beantwortete sie eine Frage mit einem schlichten Jaoder Nein. Die meiste Zeit schwieg sie, als erfordere das Atmen ihre ganze Kraft. Tess fiel auf, dass Rachels Atmung tatsächlich rauer und angestrengter geworden war. Sie hatte Fieber, und ihre Muskeln zuckten und verkrampften anfallsweise den ganzen Körper, gleichgültig, wie sehr sie ihr zu helfen versuchte.
    Nach stundenlanger Erkundung der Grube, bei der sie jeden Erdvorsprung und jede kräftige Wurzel überprüft hatte, stellte sie resigniert fest, dass sie Rachel unmöglich hier herausziehen konnte.
    Tess lehnte den Kopf gegen die Erdwand, ungeachtet der Bröckchen, die ihr in den Kragen und den Rücken hinabfielen. Sie schloss die Augen und versuchte, an etwas Schönes zu denken. Ein schwieriges Unterfangen, angesichts ihres Mangels an schönen Erfahrungen. Doch ohne große Mühe tauchte Will Finley vor ihrem inneren Auge auf. Gesicht, Körper, Hände, Stimme, alles hatte sich deutlich ihrem Gedächtnis eingeprägt. Er war trotz seines Verlangens und seiner unersättlichen Leidenschaft sanft und liebevoll zu ihr gewesen. Er schien mehr empfunden zu haben als nur körperliches Vergnügen, und ihre Gefühle schienen ihm ebenso wichtig gewesen zu sein wie die eigenen.
    Bei ihren vielen Erlebnissen mit Männern und Sex wäre sie nie auf die Idee gekommen, Sex mit Liebe in Verbindung zu bringen. Natürlich wusste sie, dass beides zusammengehören sollte, doch das deckte sich nicht mit ihren Erfahrungen. Sogar mit Daniel empfand sie nichts, was sie auch nur entfernt als Liebe bezeichnet hätte. Aber das hatte sie auch nicht erwartet.
    Wie

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