Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
sich zurück und genoss es. Er ließ sich Zeit, um ihr das Gefühl zu geben, sie könne stets einschreiten. Das dämpfte nicht gerade die Intensität ihrer Gefühle, im Gegenteil.
Da er ihr Verlangen spürte, setzte er das Streicheln mit den Lippen fort. Er machte die restlichen Knöpfe auf und ließ den Mund langsam über ihren Körper wandern. Plötzlich hielt er inne. Sie atmete zu heftig, um es gleich zu bemerken. Dann spürte sie seine Finger leicht über die Narbe gleiten, die quer über ihren Bauch verlief. Stuckys hässliches Abzeichen. Wie hatte sie das nur vergessen können?
Sie richtete sich auf, wickelte sich aus dem Schlafsack und floh, ehe Nick reagierte. In ihrer Eile stolperte sie fast über den armen Harvey, blieb stehen, blickte in den Garten hinaus und hielt die Enden ihres Hemdes mit einer Faust zusammen. Sie hörte, wie Nick hinter sie trat, und fröstelte, obwohl ihr nicht kalt war. Nick umschlang sie, und sie lehnte sich an seinen warmen Körper, den Hinterkopf an seiner Brust.
„Maggie, du solltest inzwischen wissen“, flüsterte er ihr ins Haar, „dass ich nichts an dir abstoßend finden kann, gleichgültig, was es ist.“
„Bist du dir da ganz sicher?“
„Absolut.“
„Er scheint ständig da zu sein, Nick.“ Ihre Stimme war gedämpft und zitterte ein wenig. „Ich komme irgendwie nicht von ihm los. Ich hätte wissen müssen, dass er mir auch unseren Abend noch verdirbt.“
Er umarmte sie fester und drückte ihr schweigend die Lippen auf den Nacken. Er versuchte nicht, sie zu überzeugen, dass sie sich irrte, er versuchte nicht zu widersprechen, um sie zu beruhigen. Er hielt sie einfach nur fest.
60. KAPITEL
Maggie stand vor dem Morgengrauen auf. Sie hinterließ Nick eine hingekritzelte Mitteilung, entschuldigte sich für die letzte Nacht und gab Anweisungen, wie er den Alarm einstellen sollte. Er hatte gesagt, dass er nach Boston zurückmüsse, um sich auf einen Prozess vorzubereiten, doch sie hatte gewusst, dass er nach einem Vorwand suchte, um sie zu verlassen. Sie hatte erwidert, dass er seinen neuen Job nicht gefährden dürfe. Dass sie ihn nicht in der Nähehaben wollte, damit Albert Stucky ihm nichts antun konnte, behielt sie für sich.
Auf dem Weg holte sie Agent Tully ab, doch als er ihr die Tür öffnete, sah er nicht so aus, als hätte er sie erwartet. Er war in Jeans, weißem T-Shirt und barfuß. Außerdem war er unrasiert, und sein kurzes Haar stand in alle Richtungen ab. Grußlos ließ er sie ein, sammelte unterwegs eine verstreute Ausgabe der Washington Post auf und nahm einen Kaffeebecher vom Fernsehgerät.
„Ich mache Kaffee. Möchten Sie eine Tasse?“
„Nein danke.“ Sie hätte gern betont, dass sie keine Zeit für Kaffee hatten. Warum hatte er es nicht so eilig wie sie?
Er verschwand in einem Nebenraum, vermutlich der Küche. Anstatt ihm zu folgen, setzte sie sich auf das steife Sofa, das neu aussah und roch. Das Haus war klein mit wenig Mobiliar, und das sah zumeist gebraucht aus. Es erinnerte sie an das Apartment, das sie mit Greg in der Nähe ihres College bewohnt hatte mit Milchkisten als Fernsehständer und Bücherregalen aus Betonsteinen und Brettern. Fehlte nur noch ein zitronengrüner Knautschsessel. Das Sofa und die schwarze Halogenbodenlampe waren die einzigen neuen Teile.
Ein Mädchen kam im Gang eines Schlafwandlers ins Zimmer, ohne Notiz von ihr zu nehmen, und rieb sich die Augen. Es trug nur ein kurzes Nachthemd, und das lange blonde Haar war wirr. Maggie erkannte es als das Mädchen von dem Foto auf Tullys Schreibtisch. Es ließ sich in einen großen Sessel vor dem Fernseher fallen, fand die Fernbedienung zwischen den Kissen, schaltete das Gerät ein und zappte durch die Kanäle, ohne dem Programm viel Beachtung zu schenken. Maggie hatte das unangenehme Gefühl, den gesamten Haushalt aufgeweckt zu haben, als sei es mitten in der Nacht und nicht bereits Morgen.
Die Suche endete bei den Nachrichten des Lokalsenders. DerTon war ausgeschaltet, doch Maggie erkannte hinter der hübschen jungen Reporterin den LKW-Treff, und die junge Frau deutete auf den grauen Abfallbehälter, der mit gelbem Band abgesperrt war.
„Emma, schalte bitte den Fernseher aus!“ wies Tully sie nach einem Blick auf das Gerät an. Sein Becher war randvoll, und er brachte Kaffeeduft mit ins Zimmer. Er reichte Maggie eine gekühlte Dose Diät-Cola.
„Was ist das?“ fragte sie überrascht.
„Mir fiel ein, dass Diät-Cola so etwas wie Ihre Version von
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