Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
wenn er jetzt schlafen ginge, anstatt Tess McGowan mit einem harten Fick zu strafen. Zu der ärgerlichen Lethargie, die seinen Körper bereits wieder erfasste, würde ihm die Enttäuschung, sie zu finden und nicht vögeln zu können, gerade noch fehlen. Daran mochte er nicht mal denken. Nein, er würde am Morgen weitersuchen, wenn er wieder Energie hatte und eine gute Jagd genießen konnte. Ja, er würde ganz früh anfangen. Er schlang sich das Seil über die Schulter, hob die Armbrust auf und machte sich auf den Rückweg. Vielleicht würde er die Flasche Weißwein öffnen, die Hannah so angepriesen hatte.
59. KAPITEL
Maggie war wie betäubt vor Müdigkeit und konnte kaum die Augen offen halten. Sie konnte sich nicht erinnern, von der Interstate abgebogen zu sein oder den Highway 6 mit seinen scharfen Kurven genommen zu haben. Es grenzte an ein Wunder, dass sie in der Dunkelheit und bei ihrem benebelten Hirn heimgefunden hatte.
Nick hatte das Verandalicht für sie brennen lassen. Sein Jeep stand noch dort, wo er ihn am Abend abgestellt hatte. Sie parkte daneben. Der Anblick des staubigen Gefährts mit den großen Reifen vermittelte ihr ein Gefühl von Behaglichkeit. Sie war jetzt froh, dass Detective Rosen sie überredet hatte, erst am Morgen weiterzumachen.
Wie hatte sie überhaupt daran denken können, mitten in der Nacht in unbekannten Wäldern nach Stucky zu suchen? Vor einer Stunde war ihr das noch sehr sinnvoll erschienen. Sie hatte sich anschleichen und ihn überrumpeln wollen und dabei ganz vergessen, dass sie beim letzten Angriff dieser Art den Kürzeren gezogen hatte. Wenn es um Stucky ging, setzte gelegentlich ihr Verstand aus.
Dr. Holmes hatte Recht, die Verkäuferin in dem Spirituosenladen hatte ihn angefleht. Sie hörte es und konnte es nicht abschalten.
Hannah hatte gefleht, und als sie merkte, dass sie Stucky nicht umstimmen konnte, bettelte sie wenigstens um das Leben ihres ungeborenen Babys. Er hatte sie ausgelacht. Für ihn war ihre Schwangerschaft belanglos. Hannah hatte wahrscheinlich weitergebettelt und geweint. Hatte er zu schneiden begonnen, als sie noch lebte, weil er ihr den Fötus zeigen wollte? Das war eine weitere Steigerung seines Repertoires an Perversionen, eigentlich unvorstellbar, doch für Stucky leider nicht.
Maggie versuchte die Bilder zu unterdrücken und schloss soleise wie möglich die Tür auf. Es war lange her, seit sie bei der Rückkehr nicht nur ein leeres dunkles Haus vorgefunden hatte. Noch ehe sie und Greg sich aus dem Weg gegangen waren, hatten sie sich auf Grund ihrer unterschiedlichen Terminpläne kaum gesehen. In den letzten Jahren waren sie nicht mehr als zwei Menschen gewesen, die sich eine Eigentumswohnung teilten und sich gegenseitig Mitteilungen hinterließen. Mit der Zeit waren dann die einzigen Hinweise auf einen zweiten Bewohner leere Milchkartons im Kühlschrank und Wäsche im Waschraum gewesen.
Die Alarmanlage piepste nur einmal, ehe Maggie den richtigen Code eingab. Harvey stupste sie mit seiner kalten Schnauze an, sie streckte ihm im Dunkeln eine Hand hin, und er leckte sie.
Obwohl das Foyer im Dunkeln lag, wurde der Wohnraum von Mondlicht erhellt. Nick hatte die Vorhänge nicht zugezogen, was jetzt angenehm war. Das bläuliche Licht verlieh dem Raum etwas Magisches. Sie sah Nick auf dem Boden ausgestreckt, nur halb vom Schlafsack bedeckt. Sein muskulöser Oberkörper war nackt, und bei dem Anblick regte sich leises Verlangen in ihr. Und das, obwohl sie viel zu müde war für Gefühle.
Sie stellte ihre forensische Ausrüstung ab, zog das Jackett aus und war dabei, das Schulterholster abzulegen, als sie den Schlafsack rascheln hörte. Harvey war an Nicks Seite zurückgekehrt und hatte den Kopf auf seine Beine gelegt.
„Mach es dir da nicht zu bequem“, raunte sie Harvey zu.
„Zu spät“, erwiderte Nick, rieb sich mit einer Hand das Gesicht und stemmte sich auf einem Ellbogen hoch.
„Ich meinte Harvey.“ Sie lächelte.
„Na gut.“
Er fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar, so dass es vom Kopf abstand. Sie hätte es gern glatt gestrichen und die Finger über seine Haare und das kräftige Kinn gleiten lassen.
„Wie hältst du dich?“ Sogar im Mondlicht erkannte sie seine besorgte Miene.
„Ich kann es dir ehrlich nicht beantworten. Vielleicht gar nicht so gut.“ Sie lehnte sich gegen die Wand und rieb sich die Augen. Sie wollte nicht an die Tote denken oder an den geschrumpften Fötus an der Wand des mütterlichen
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