Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, als seien ihre hochhackigen Pumps Ursache des Unbehagens. „Schauen Sie, man muss kein Genie sein, um zu begreifen, dass es ungewöhnlich ist, wenn drei Polizeiwagen und der Gerichtsmediziner kommen, um einen verletzten Hund zu bergen. Auch dann, wenn der Hund der Frau von Sidney Endicott gehört.“
Der Name des Mannes sagte Maggie nichts, und er war ihr auch gleichgültig. Je weniger sie über die Endicotts wusste, desto leichter konnte sie sich aus dem Fall heraushalten. Sie wartete mit vor der Brust verschränkten Armen. Susan Lyndell deutete das offenbar so, dass sie ihre volle Aufmerksamkeit hatte.
„Ich glaube, Rachel traf sich mit jemand. Und dieser Jemand hat sie gegen ihren Willen mitgenommen.“
„Warum sagen Sie das?“
„Rachel hat letzte Woche einen Mann getroffen.“
„Was meinen Sie damit?“
„Ich möchte nicht, dass Sie einen falschen Eindruck gewinnen. Sie hat so etwas normalerweise nicht gemacht“, fügte sie rasch hinzu, als müsste sie ihre Freundin verteidigen. „Es ist einfach passiert. Sie wissen, wie so was geht.“ Offenbar erwartete sie Zustimmung von Maggie. Da keine kam, fuhr sie schnell fort: „Rachel sagte, er sei ... nun ja, sie beschrieb den Mann als wild und aufregend. Ich bin sicher, sie hatte nicht vor, Sidney zu verlassen“, fügte sie hinzu, als müsste sie sich selbst überzeugen.
„Mrs. Endicott hatte also eine Affäre?“
„Mein Gott, nein. Aber ich glaube, sie war in Versuchung. Soweit ich weiß, war es nur eine sehr heftige Flirtgeschichte.“
„Woher wissen Sie das alles?“
Susan wich ihrem Blick aus und sah aus dem Fenster. „Rachel und ich, wir waren Freundinnen.“
Maggie versagte sich den Hinweis, dass sie in der Vergangenheitsform von Rachel sprach. „Wie hat sie ihn kennen gelernt?“ erkundigte sie sich.
„Er hat in der letzten Woche oder so in der Gegend zu tun gehabt. An den Telefonanschlüssen. Hatte irgendwas mit neuen Kabeln zu tun, die gelegt werden mussten. Ich habe nicht viel davon mitbekommen. Anscheinend verändert und erneuert man hier dauernd was.“
„Warum glauben Sie, dass dieser Mann Rachel gegen ihren Willen mitgenommen hat?“
„Es klang so, als würde er es ernst meinen mit ihr. Als wollte er versuchen, mehr aus ihrem Flirt zu machen. Sie wissen, wie solcheTypen sein können. Im Grunde wollen die nur das eine. Und irgendwie glauben die, wir reichen, einsamen Ehefrauen wären nur zu gern bereit, mit ihnen ...“ Sie hielt inne, als sie merkte, dass sie mehr preisgab, als sie wollte. Sie senkte sofort den Blick, und ihre Wangen röteten sich leicht. Maggie ahnte, dass Susan Lyndell nicht nur über ihre Freundin sprach, sondern aus eigener Erfahrung. „Sagen wir“, fuhr sie fort, „ich habe so eine Ahnung, dass der Typ mehr wollte, als Rachel bereit war zu geben.“
Maggie sah vor ihrem geistigen Auge das Schlafzimmer der Endicotts. Hatte Rachel den Mann vom Telefondienst in ihr Schlafzimmer gebeten und es sich dann anders überlegt?
„Sie glauben, sie könnte ihn eingeladen haben, und dann gerieten die Dinge außer Kontrolle?“
„Gab es nicht etwas im Haus, das diese Annahme stützt?“
Maggie zögerte. Waren Susan Lyndell und Rachel Endicott wirklich Freundinnen, oder fischte hier nur jemand nach interessanten Informationen, um sie in der Nachbarschaft zu verbreiten?
Schließlich erwiderte sie: „Ja, da war etwas, das diese Annahme stützt. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“
Susan erbleichte unter ihrem sorgfältig aufgetragenen Make-up und lehnte sich abstützend gegen die Wand. Ihre Erschütterung schien echt zu sein.
„Ich denke, Sie sollten das der Polizei sagen“, wiederholte Maggie.
„Nein“, widersprach Susan sofort mit hochrotem Gesicht. „Ich meine ... ich bin nicht mal sicher, dass sie ihn wirklich getroffen hat. Ich möchte nicht, dass Rachel Probleme mit Sid bekommt.“
„Zumindest sollte die Polizei von diesem Mann vom Telefondienst erfahren, damit die ihn befragen können. Haben Sie ihn in der Gegend gesehen?“
„Ich habe ihn überhaupt nicht gesehen. Nur seinen Van - ein Mal. Northeastern Bell Telephone Company. Ich möchte nicht, dass er wegen meiner Ahnung seinen Job verliert.“
Maggie beobachtete, wie sie ihren Jackensaum wrang und knetete. Der Job eines namenlosen Reparaturtechnikers war ihr bestimmt nicht so wichtig.
„Warum erzählen Sie mir denn all das, Mrs. Lyndell? Was erwarten Sie von mir?“
„Ich dachte
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