Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
Champagner. Lass uns bitte bei Wein bleiben.“
Er gab sich mit erhobenen Händen geschlagen. „Wie du möchtest. Heute ist dein Abend.“
Er nahm sein Wasserglas, um einen Schluck zu trinken, stutzte und wischte mit der Serviette Wasserflecken vom Glas. Tess wappnete sich innerlich vor einer weiteren Szene mit dem Kellner. Doch Daniel gelang es offenbar, das Glas durch eigene Anstrengung in einen zufrieden stellenden Zustand zu versetzen. Er legte die Serviette zurück und stellte das Glas ab, ohne zu trinken.
„Und wie hoch ist der Verkaufsbonus? Ich hoffe, du hast nicht alles für dieses überteuerte Kleid ausgegeben, das dir ständig von der Schulter rutscht.“
„Natürlich nicht.“ Sie sprach mit fester Stimme und lächelte rasch, als gefalle ihr, was er für trockenen Humor hielt.
„Also? Wie viel?“ erkundigte er sich.
„Fast zehntausend Dollar“, erwiderte sie mit stolz erhobenem Kinn.
„Nun, das ist ein nettes kleines Trinkgeld, was?“
Diesmal trank er von seinem Wasser, ohne das Glas zu säubern. Er sah sich bereits im Raum um und suchte nach bekannten Gesichtern. Das war eine professionelle Angewohnheit von ihm, keine Unhöflichkeit. Trotzdem war ihr dabei jedes Mal zu Mute, als erhoffe er, Rettung vor der belanglosen Unterhaltung mit ihr.
„Denkst du, dass ich es investieren sollte?“ fragte sie, um mit dem einzigen Thema, das ihn wirklich interessierte, wieder seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
„Was?“ Er streifte sie lediglich mit einem Blick, da er ein Paar, das er zu kennen schien, an der Bar auf einen Tisch warten sah.
„Der Bonus. Denkst du, ich sollte ihn in Aktien investieren?“
Diesmal sah er sie mit jenem Lächeln an, das stets eine Belehrung einläutete.
„Tess, zehntausend Dollar reichen wirklich nicht aus, groß in den Markt einzusteigen. Vielleicht eine schöne kleine Anleihe oderweniger riskante Papiere. Du willst dich doch nicht in etwas stürzen, von dem du nichts verstehst.“
Ehe sie etwas einwenden konnte, klingelte sein Handy. Daniel riss es geradezu aus der Tasche, als sei es das Wichtigste auf der Welt. Tess schob den Träger hoch. Warum gab sie es nicht zu: Das Telefon war das Wichtigste auf der Welt.
Der Weinkellner kehrte zurück, sah, dass Daniel wieder telefonierte, und sein gequältes Gesicht hätte sie fast zum Lachen gebracht.
„Warum ist es so verdammt schwer, das richtig zu machen?“ blökte Daniel so laut ins Telefon, dass andere Gäste sich zu ihm umdrehten. „Nein, nein vergessen Sie’s. Ich mache es selbst!“
Er klappte das Telefon zu und war schon aufgestanden, ehe er es in die Tasche gleiten ließ. „Tess, Süßes, ich muss mich persönlich um etwas kümmern. Diese verdammten Idioten können nichts richtig machen.“ Er holte eine Kreditkarte heraus und blätterte aus seiner Geldscheintasche zweihundert Dollar hin. „Bitte, gönn dir ein schamlos teures Dinner, um deinen Bonus zu feiern. Und du hast doch nichts dagegen, im Taxi nach Haus zu fahren?“
Er übergab ihr die Kreditkarte und die gefalteten Dollarnoten. Nach einem flüchtigen Kuss auf die Wange ging er, bevor sie protestieren konnte. Sie bemerkte jedoch, dass er genügend Zeit hatte, mit dem Paar an der Tür zu reden, das ihm vorhin aufgefallen war.
Plötzlich merkte sie, dass der Weinkellner immer noch verblüfft an ihrem Tisch stand und auf ihre Anweisungen wartete.
„Ich hätte gern die Rechnung.“
Er sah sie unschlüssig an und hielt die entkorkte Flasche hoch. „Ich habe nicht mal ein Glas ausgeschenkt.“
„Gönnen Sie ihn sich später zusammen mit Ihren Kollegen.“
„Ist das Ihr Ernst?“
„Mein völliger Ernst. Es geht auf meine Kosten. Und bevor Siedie Rechnung bringen, setzen Sie bitte noch zwei der teuersten Vorspeisen darauf.“
„Möchten Sie sie mit nach Hause nehmen?“
„Nein, nein, ich will sie gar nicht. Ich will nur dafür bezahlen.“
Sie hielt lächelnd die Kreditkarte hoch. Er schien die Botschaft endlich zu verstehen und eilte schmunzelnd davon, um die Rechnung auszustellen.
Wenn Daniel sie unbedingt wie eine Nutte behandeln wollte, konnte sie ihm gern entgegenkommen. Vielleicht begriff ihr alberner kleiner Verstand etwas so Komplexes wie den Aktienmarkt tatsächlich nicht. Dafür wusste sie vieles, von dem Daniel keine Ahnung hatte.
Sie unterzeichnete die Rechnung des Weinkellners und gab ihm ein üppiges Trinkgeld. Dann verließ sie das Restaurant, winkte ein Taxi heran und hoffte, auf der Heimfahrt verfliege ihr Zorn.
Weitere Kostenlose Bücher